Donnerstag, 20. November 2014 Interview mit Natumi-Marketingleiterin Diana Grass und Betriebsleiter Ulf Fleischhauer

...über Zielgruppen, Perspektiven und Philosophie von Natumi.

Ihre Produktions- und Abfüllanlage macht einen hoch effizienten Eindruck, die Verpackung erledigt ein Roboter. Welche Stückzahlen werden hier pro Jahr produziert?

Ulf Fleischhauer: Rund 60 Millionen Einheiten pro Jahr können wir abfüllen. Wir haben unseren Absatz in den letzten Jahren regelmäßig um rund 10 Prozent gesteigert und rechnen auch für die kommenden Jahre mit weiterem Wachstum in dieser Größenordnung. 

In Ihrer Produktions- und Abfüllanlage habe ich Verpackungen von Handelsketten wie Rewe gesehen. Wenn ich an die 80er- und 90er-Jahre zurückdenke: Bioläden und Supermärkte waren verschiedene Welten ...

Diana Grass: Wir sind angetreten, Bio für alle zu machen. Inzwischen ist es Bio für alle. Heute sind Bioprodukte sowohl im Naturkosthandel als auch im LEH erhältlich. Damit erreichen wir heute wesentlich mehr Menschen mit gesunden und nachhaltig hergestellten Lebensmitteln als in den 70er-Jahren, in denen die Bio-Bewegung ihren Anfang nahm.

Wer sind Ihre Kunden?

Grass: Wir haben eine sehr heterogene Zielgruppe. Zum einen sprechen wir eine wachsende Gruppe von Verbrauchern an, die aus ethischen oder gesundheitlichen Gründen ganz auf tierische Produkte verzichten wollen. Zum anderen bedienen wir Allergiker – zum Beispiel Menschen mit Laktoseunverträglichkeit. Davon gibt es Deutschland allein mehr als 12 Millionen gibt. Zielgruppe sind auch Milcheiweißallergiker. Unsere Produkte werden den unterschiedlichsten Verbraucherbedürfnissen gerecht: Sie sind 100 Prozent pflanzlich, also vegan, und frei von Laktose, Milcheiweiß und Cholesterin. Soja- und Reisdrinks sind zudem glutenfrei.

Ethisch heißt für viele Menschen auch, dass sie wissen wollen, wo und wie ihre Nahrungsmittel hergestellt werden. Wie halten Sie es damit?

Grass: Es ist uns sehr wichtig zu wissen, wo die Rohstoffe herkommen, die wir verarbeiten. Selbstverständlich stammen alle aus kontrolliert ökologischem Anbau. Soweit möglich, beziehen wir unsere Zutaten aus Deutschland und Europa – Hafer und Dinkel kommen aus Deutschland, Reis aus Italien, Soja aus Frankreich und Italien. Wir pflegen persönliche Kontakte zu unseren Lieferanten und wissen, dass viele Bauern auch Freude daran haben zu wissen, was wir aus ihrem Getreide herstellen. Der regionale Bezug war uns immer wichtig. Wir haben das vielleicht früher nicht deutlich genug kommuniziert, weil es für uns so selbstverständlich war. Inzwischen machen wir das sehr bewusst in einer Kampagne unter dem Motto „100 % regional“. Wichtig ist uns auch, dass die Menschen, die unsere Rohstoffe herstellen, fair behandelt werden. So ist zum Beispiel der Kakao, den wir kaufen, Fairtrade.

Warum sind Sie nach Troisdorf gegangen?

Fleischhauer: Wir hatten in Eitorf einfach keinen Platz mehr für die weitere Expansion. Zudem hatten wir den Wunsch, auch die Veredelung unserer Drinks und die Abfüllung mit dazu zu nehmen. Wir verfügen hier über 29 000 Quadratmeter Fläche. 12 000 Quadratmeter sind nun überbaut. Wir brauchen diese Fläche auch, weil wir unser Lager vergrößert haben.

„Lean“ ist das aber nicht, die Lagerbestände zu vergrößern. Warum entwickeln Sie sich gegen den allgemeinen Trend produzierender Unternehmen?

Fleischhauer: Das stimmt grundsätzlich. Aber wir brauchen diese erweiterte Vorratshaltung, weil wir mit Naturprodukten arbeiten. Wir haben für Fertigware bestimmte Quarantänezeiten, um sicher zu sein, dass die Ware in Ordnung ist. Und wir geben Tranchen fertiger Produkte auch erst nach Tests frei, die eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen.

Wie viel Geld wurde in Troisdorf investiert?

Fleischhauer: Rund 22 Millionen Euro.

Und warum Troisdorf?

Grass: Die sehr gute Anbindung und die sehr gute Zusammenarbeit mit der Stadt, der Wirtschaftsförderung und den Stadtwerken haben uns überzeugt. Die meisten unserer Mitarbeiter sind sehr lange im Unternehmen und sind uns von Eitorf nach Troisdorf gefolgt. Da viele von ihnen aus Köln kommen, ist der Weg zur Arbeit für sie jetzt sogar noch kürzer. Möglicherweise hätten wir in Mecklenburg-Vorpommern ein kostengünstigeres Grundstück bekommen. Doch für diesen Standort sprach, dass wir uns nicht von unseren langjährigen, hochqualifizierten Mitarbeitern trennen mussten und sich zudem besser neue Fachkräfte rekrutieren lassen.

Ihre frühere Zentrale in Eitorf erinnert noch ein wenig an die Ursprünge der Biobewegung. Das Firmengebäude sah aus wie ein Alpenhaus. Ein bisschen „Müsli-mäßig“ würde man fast sagen. Ihre neue Zentrale ist elegant und funktional. Hat sich auch Ihre Unternehmenskultur verändert?

Grass: Natumi wurde von Naturkost-Pionier Bruno Fischer jr. gegründet. Das Gebäude und die Inneneinrichtung waren noch sehr von den Anfängen der Naturkostbewegung geprägt. Naturholzmöbel und Holztäfelung gehörten eben dazu.

Und wie ist es jetzt in der neuen modernen Umgebung und in einem auf rund 100 Mitarbeiter gewachsenen Unternehmen, das sich inzwischen im Eigentum einer amerikanischen Kapitalgesellschaft befindet?

Grass: Wir alle identifizieren uns sehr stark mit unserem Unternehmen und den Produkten, die wir herstellen. Unsere Mitarbeiter haben am Aufbau unserer Produktionsanlage mitgearbeitet, da es die von uns benötigten Anlagen in dieser speziellen Form so nicht fertig gab. Das Klima bei uns ist nach wie vor sehr familiär. Die Betriebszugehörigkeiten sind sehr lang, es gibt kaum Fluktuation. Unser Produktionsleiter ist beispielsweise schon drei Jahrzehnte im Unternehmen.

Warum ist Ihnen das wichtig?

Fleischhauer: Mitarbeiter, die sich wohlfühlen, bleiben und sind hoch motiviert. Unsere Mitarbeiter bezeichnen sich selbst als „die Natumis“.

Der Stolz der Mitarbeiter auf die eigene Arbeit war beim Rundgang durchs Unternehmen spürbar. Einer von ihnen verteilte Hafer-Proben an die Gäste und forderte sie auf: „Probieren Sie mal. Topqualität“.

Fleischhauer: Wir sind, glaube ich alle stolz auf das, was wir tun. Denn wir haben das Gefühl, dass unsere Arbeit gut und sinnvoll ist. Wir tragen zu einer gesunden Ernährung bei. Der CEO unseres Mutterunternehmens Hain Celestial, Irwin D. Simon, sagt, dass es natürlich wichtig ist, dass wir Geld verdienen. Aber es ist aus seiner Sicht nicht weniger wichtig, dass wir unseren Kindern eine gute Welt hinterlassen. Kennen Sie Ihren CEO denn persönlich?

Grass: Ja sicher, er ist immer wieder bei uns. Was mich erstaunt: Er erinnert sich an Einzelheiten von vorherigen Besuchen und spricht Mitarbeiter auf familiäre Dinge an, die er von früheren Besuchen in Erinnerung hatte.

Mit welchem Hintergrund arbeiten Sie für Natumi?

Fleischhauer: Ich bin ursprünglich Braumeister und Betriebswirt und neben Produktion und Technik  auch für die Qualitätssicherung und die Produktentwicklung zuständig . Meine Kenntnisse in der modernen hygienischen Getränkeproduktion bringe ich hier als Betriebsleiter ein. Ein wichtiger Prozess in der Herstellung unserer Getreideprodukte ist die mir schon aus der Bierherstellung bekannte Fermentierung, bei der die Stärke im Getreide aufgebrochen wird. Das sorgt für die milde Süße der Getränke.

Grass: Ich arbeite seit gut 10 Jahren für Natumi. Ich bin Betriebswirtin und war zuvor bei anderen Naturkostherstellern und bei Werbeagenturen tätig, die auf Naturkost spezialisiert sind.

Um Wachstum zu generieren, braucht es Produktinnovation. Welche Neuerung steht uns bevor?

Grass: Wir haben einiges in Vorbereitung, über das ich noch nicht sprechen kann. Die erfolgreichste Neuerung der jüngsten Vergangenheit waren Dinkel-Drinks. Diese kamen im Jahr 2011 auf den Markt und sind wie eine Bombe eingeschlagen. Die Verbraucher haben lange darauf gewartet. Dinkel ist ein Urweizen und enthält ein im Vergleich zu herkömmlichem Weizen verträglicheres Gluten. Aktuell sind Drinks aus Kokosnuss, Mandeln und Haselnüssen stark nachgefragt.

Haselnuss ist bei vielen Allergikern gefürchtet.

Fleischhauer: Deshalb lassen wir alle Drinks mit Haselnuss bei einem anderen Produzenten herstellen. Unser Betrieb in Troisdorf ist komplett nussfrei. Wir trennen hier auch komplett für Soja-Produkte und Getreide-Produkte. Uns ist wichtig, dass die Verbraucher auch wirklich bekommen, was auf der Packung steht – und dass unsere hochwertigen Produkte frei von Verunreinigungen sind.

Grass: In den USA nennt man solche Produkte „Free from“. Das ist ein Trend, der sich auch in Deutschland immer stärker ausprägt. Das wird uns zusätzliche Verbraucher bringen. Für uns ist das ein wichtiger Wachstumstreiber.

Vielen Dank für diese Interview.

Artikel des Rhein-Sieg-Anzeigers zum Unternehmerfrühstück bei Natumi

Nicht nur die Milch macht’s bei Natumi

Natumi stellt Getränke aus Dinkel, Hafer, Getreide und Soja in vielen Geschmacksrichtungen her. Im Angebot sind Drinks mit natürlichem Aroma oder Schokoladen-, Vanille- und Mandelgeschmack, wobei die Soja- und Reisvarianten glutenfrei sind.  Von Andreas Helfer

Lesen Sie den gesamten Artikel unter: http://www.ksta.de/troisdorf/firma-aus-troisdorf-nicht-nur-die-milch-macht-s-bei-natumi,15189204,29068726.html

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