Sonntag, 14. Juni 2015 Interview mit Dieter Wilden, Geschäftsführer der Mannstaedt GmbH - „Menschen machen Mannstaedt“

Dieter Wilden ist seit dem Jahr 2007 Geschäftsführer der Mannstaedt GmbH. Der Hersteller von Spezialprofilen für den Weltmarkt ist eine Leitgesellschaft unter den rund 40 Unternehmen der Georgsmarienhütte Holding. Diese hat den Troisdorfer Traditionsbetrieb 2006 übernommen und saniert. Wilden über seine Führungsaufgabe: „Das ist geil hier!“ Der Manager hat sein „ganzes Leben in der Stahlindustrie verbracht“. Seit 1998 ist er in der Unternehmensgruppe Georgsmarienhütte aktiv. „Nach dem Kauf von Mannstaedt war schnell klar, dass ich als Geschäftsführer nach Troisdorf gehen würde. Die Tatsache, dass ich die rheinische Sprache verstehe – ich bin in Neuß geboren –, hat hier sicher geholfen“, erklärt Wilden im Interview mit der pro Troisdorf-Vorsitzenden Leonie Schneider-Kuttig und Carsten Seim. Der Geschäftsführer ist in der Mannstaedt-Geschäftsführung für die Bereiche Markt und Logistik, Produktion, Technik und Personal zuständig. Sein Co-Geschäftsführer Ulrich Hannemann betreut die IT, Einkauf und das Controlling. Das Duo dirigiert 12 Führungskräfte in der Ebene 1. Insgesamt hat die Mannstaedt GmbH 750 Mitarbeiter. Dieses Gespräch fand statt aus Anlass eines Unternehmerfrühstücks des Unternehmer-Clubs pro Troisdorf und der Wirtschaftsförderung Trowista am 11. Juni 2015.

Herr Wilden, wie behaupten Sie sich als Hersteller von Spezialprofilen am Weltmarkt? Schwer vorstellbar, dass das niemand sonst auf der Welt kann ...

Auch Fabriken in China, Russland und der Türkei sind auf unserem Markt aktiv. Wir bei Mannstaedt können und wollen uns nicht mit deren Lohn- und Preisstruktur messen. Wir schaffen andere Werte für unsere Kunden. Da ist zum einen unsere besondere Produktvielfalt und -Qualität – da steckt deutsche Ingenieurskunst dahinter. Da ist zum anderen unsere Liefer- und Termintreue. Kunden wollen heute auf die Stunde genau beliefert werden – und sie kommen zu uns, weil wir das garantieren.

Ein weiterer Aspekt, mit dem wir im Wettbewerb punkten, ist durch die Weltwirtschaftskrise noch wichtiger geworden. Unsere Abnehmer wollen von uns wissen, ob es uns als Lieferanten in fünf Jahren noch gibt. Wir genießen als fast zweihundert Jahre alte Marke besonderes Vertrauen bei allen, die an nachhaltigen hochqualitativen Kundenbeziehungen interessiert sind. Sie haben bei uns auch das Vertrauen, dass wir über die investiven Mittel verfügen, um eventuell erforderliche Produktmodifikationen auf den Weg zu bringen. Unsere Eigenkapitalquote liegt bei 40 Prozent. Das können Sie anderswo in Deutschland suchen.

Welche Vorzüge hat der Standort Troisdorf für Sie?

Wir befinden uns hier in der Rheinschiene: Es ist attraktiv, hier zu bezahlbaren Preisen in einer schönen Umgebung zu wohnen. Die Lebensqualität stimmt. Wir fühlen uns durch die Stadt und ihre Wirtschaftsförderung auch gut unterstützt. Auf der anderen Seite: Das wirtschaftlich florierende Umfeld im Rheinland verschärft natürlich auch die Konkurrenz um Arbeitskräfte.

Spüren Sie den demografischen Wandel beim Recruiting bereits?

Ja! Der Wettbewerb der Unternehmen um Fachkräfte ist voll entbrannt. Wir bewegen uns hier in einer florierenden Region und konkurrieren mit einigen anderen Unternehmen – darunter Big Player wie der Flughafen. Deshalb bemühen wir uns um eine gute Unternehmensdarstellung. Dabei hilft unser guter Name in der Region. Von manchem Azubi höre ich: „Mein Opa und mein Vater waren auch schon bei Mannstaedt, deshalb bin auch ich hier.“ Das freut mich, und es hilft uns natürlich, wenn Väter ihren Jungen das Unternehmen empfehlen.

Was spricht aus Ihrer Sicht für einen Stahl-Job?

Junge Leute wollen heute vielfach einen Job, wo sie im grauen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte arbeiten können. Ja, Stahlindustrie ist laut, nicht so sauber, wirkt auf den ersten Blick ein wenig Old School. Der klassische Weg bei uns – dreieinhalb Jahre Ausbildung zum Dreher, zehn Jahre danach den Meister machen, braucht sich vor vielen Anzug-Jobs von den Konditionen her nicht zu verstecken! Unabhängig davon haben wir aber Probleme, jedes Jahr unsere 15 Azubis anzuwerben. Das liegt auch daran, dass die Qualität der Schulabgänger sinkt. Noten stehen für mich dabei an zweiter Stelle – es geht mir eher um Werte, die die jungen Leute mitbringen. Das entsteht im Elternhaus. Das können wir als Unternehmen nicht beeinflussen. In der LKW-Felgenfertigung können wir nicht mehr alle Arbeitsplätze besetzen. Das ist schwere Arbeit, die sich auch nicht mehr weiter automatisieren lässt. Im Walzwerk haben wir dagegen sehr attraktive Arbeitsplätze. Und der Lohnzettel sieht am Monatsende auch recht schick aus.

Was verdient denn man im Schnitt bei der Mannstaedt?

Wir, als tarifgebundenes Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, zahlen ordentliche Löhne und Gehälter, die zum Teil auch über denen anderer Branchen liegen. Damit kann man sein eigenes Zuhause schon ordentlich stemmen. Aber unsere Leute müssen natürlich auch einiges dafür tun.

Zusammengefasst: Warum kommen Bewerber zu Mannstaedt?

Wenn jemand zu uns kommt, hat er sich bereits schlau gemacht: Unser Unternehmen ist draußen auf dem Arbeitsmarkt hoch angesehen. Das hängt natürlich auch mit der Bezahlung zusammen. Wir haben in den zurückliegenden Jahren auch einige ehemalige Mannstaedt-Mitarbeiter zurückgewonnen. Die schätzen es einfach, wie dieses Unternehmen heute funktioniert. Natürlich bekommt man auch bei uns einmal Kritik. Aber wir haben eine ausdrücklich Mitarbeiter-freundliche und beteiligungsorientierte Philosophie, die auch unser Leitbild prägt. Wir haben im vergangenen Jahr 200 Leute in Workshops geschickt, die der Frage nachgingen, was wir an unserem Leitbild ändern müssen. Schlüsselsätze sind: „Menschen machen Mannstaedt“ und natürlich: „Wir wollen Geld verdienen.“ Letzteres brauchen wir auch, um unser Werk à jour zu halten und die Arbeitsplätze hier zu erhalten. Wir gewähren unseren Mitarbeitern auch eine freiwillige Gewinnbeteiligung.

Die Georgsmarienhütte Holding als Eigentümerin der Mannstaedt GmbH ist ein Familienunternehmen. Hat das Einfluss auf die Arbeitsbeziehungen?

Das erste, was ich 1998 in der Firmengruppe gelernt habe, war: „Fehler können passieren, dafür gibt es Lösungen. Schlechter Umgang mit Mitarbeitern ist allerdings wenig entschuldbar!“ Diese Haltung ist nicht allein aus sozialem Bewusstsein geboren, sondern auch durchaus aus einem unternehmerischen Eigeninteresse heraus: Ist die Belegschaft zufrieden, stimmt auch das Produkt. Zudem bindet man so qualifizierte Mitarbeiter.

Was tun Sie konkret dafür, dass sich Mitarbeiter bei Ihnen aufgehoben fühlen – und was bringt Ihnen das?

Es sind oft kleine persönliche Gesten, die wichtig sind. Meine Frau und ich haben Ostermontag Schokohasen unter Mitarbeitern verteilt, die seinerzeit aus wichtigen betrieblichen Gründen über drei Monate hinweg sieben Tage die Woche Dreischicht arbeiten mussten. Die Aktion kam hervorragend an und wirkt bis heute nach. Wenn ich den Mitarbeitern als Geschäftsführer zum Beispiel wegen einer Auftragsspitze Höchstleistungen abverlangen muss, wie die eben Geschilderte, dann sagen die mir: „Wir organisieren das unter uns, machen Sie sich darum keinen Kopf!“ Ich habe viele Leute, die könnte ich nachts um drei anrufen und sagen: „Die Hütte brennt, ich brauche Euch!“ Und die kommen dann!

Sie arbeiten im Schichtdienst. Ältere Menschen haben es schwerer damit als Jüngere. Was tun Sie, um mit alternden Belegschaften weiterhin im Schichtdienst arbeiten zu können?

Das Durchschnittsalter unserer Belegschaft liegt bei 44. Ich will, dass die Menschen bei uns wirklich bis zur Rente arbeiten können. Das klappt nicht immer, aber das ist mein Ziel! Wir haben zum Beispiel in den weiterverarbeitenden Betrieben weniger fordernde Arbeitsplätze. Ein Teil der älteren Mannstaedt-Werker arbeitet in unserem Service-Pool und erledigt Arbeiten, die wir bislang fremd eingekauft haben. Klar ist aber auch, dass wir nicht allen Älteren alternative Beschäftigungsangebote machen können. Es muss darum gehen, die Leistungsfähigkeit soweit möglich bis ins höhere Alter zu bewahren.

Dafür ist es wichtig, dass die Menschen schon mit 30 oder 40 Jahren Gesundheitsvorsorge betreiben. Dafür engagieren wir uns mit einem umfassenden Gesundheitsmanagement. Wir beteiligen uns an den Kosten für Fitness-Studios. Wir betreiben auch bei den Ehefrauen unserer Werker Aufklärung über gesundheitsbewusstes Essen, denn der Metaller isst nun einmal sehr gern deftig. Die Grenzen waren erreicht, als unser Kantinenpächter die Currywurst aus dem Angebot nehmen wollte (lacht). Aber jetzt wieder im Ernst: Unsere Betriebsärztin achtet sehr auf die Gesundheit der Belegschaft, wir lassen sie regelmäßig untersuchen.

Bei allem Anhalten zum gesundheitsbewussten Umgang mit sich selbst müssen wir aber auch darauf achten, dass unsere Belegschaft bei Laune bleibt. Denn sonst wird es mit der Arbeit nichts.

Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft wagen: Wird es die Mannstaedt GmbH 2025, zum 200. Gründungsjubiläum, noch in der aktuellen Form geben?

Ich gebe Ihnen eine rheinische Antwort: Auf dem Mannstaedt-Werksgelände werden auch in zehn Jahren viele Menschen und Maschinen arbeiten. Aber niemand kann sagen, ob es 600, 750 wie heute oder 900 Belegschaftsmitglieder sein werden. Die Frage ist, ob es mich dann noch gibt (lacht). Aber mein Ziel ist es jedenfalls, dieses Jubiläum, das voraussichtlich mit meinem Renteneintritt zusammenfällt, in Troisdorf zu feiern.

In allen Unternehmen wächst der Druck zur Internationalisierung. Ist Mannstaedt Troisdorf eine Insel der Seligen?

Nein! Aber ich glaube, dass man auch im Hochlohnland Deutschland in der Stahlindustrie rentabel arbeiten kann. Deshalb habe ich meinem Aufsichtsratsvorsitzenden auf die Frage, wie ich eine Kapazitäten-Erhöhung beantworten würde, geantwortet: „Dann bauen wir in Troisdorf aus.“ Ich stehe als Unternehmer zu diesem Land.

Sie sind also kein Fan einer sogenannten Lohnveredelung?

Nein. Ich habe nach der Wende erlebt, wie viele Mittelständler in osteuropäischen Staaten Fabriken gebaut haben, weil sie von den Lohnvorteilen profitieren wollten. Viele von ihnen sind nach wenigen Jahren wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Abgesehen davon, dass ich Heuschrecken-Praktiken entschieden ablehne, habe ich handfeste unternehmerische Gründe für mein Bekenntnis zu Deutschland.

Dann bleibt Mannstaedt für immer ein exklusives Troisdorfer Unternehmen, wenigstens solange sie dafür verantwortlich sind?

Ich kann natürlich nicht alle Zwänge, die auf uns zukommen, vorhersehen. So verlangen Autokonzerne, dass Zulieferer direkt an ihren Werken präsent sind. Unser Versand von Troisdorf bis in die USA dauert vier Wochen. Es kann sein, dass wir dort in Zukunft Lager bauen müssen, wo auch Anarbeitung stattfindet. Wir müssen in einem Fünfjahreszeitraum über solche Entwicklungen nachdenken und Konzepte dafür bereithalten, um unseren Vorsprung am Markt zu behaupten.

Wo wollen sie denn in den kommenden fünf Jahren hin?

Als ich 2007 zu Mannstaedt kam, hatten wir eine Jahresproduktion von 150 000 Tonnen. Heute sind es rund 180 000 Tonnen. Mein Ziel sind 200 000 Tonnen. Wann genau wir dieses Ziel erreichen, weiß ich noch nicht. Aber wir kommen da hin, das weiß ich genau. Wir wollen wachsen, um zwischen 700 und 800 Arbeitsplätze zu erhalten.

Und dann gehen Sie 2025 bei Mannstaedt auf der Hütte in Pension?

Vielleicht sind es ja meine rheinischen Wurzeln: Aber irgendwann habe ich mal zu mir gesagt: Ich mach’ die Story hier bei Mannstaedt zu Ende! Und 200 000 Tonnen Jahresproduktion, das wäre genau die richtige Party für mich!

Interview: Leonie Schneider-Kuttig und Carsten Seim

Aktuelles

Unsere Mitglieder

Alle Mitglieder anzeigen