Mittwoch, 16. August 2023 pro Troisdorf-Interview zum Unternehmer-Frühstück bei der lieber-zuhause GmbH

lieber-zuhause GmbH – Alltagshilfe und Grundpflege als Unternehmenskonzept

Die lieber-zuhause GmbH operiert von Troisdorf-Oberlar aus. Sie hat ein Tochterunternehmen in Bonn. Elena, Jens und Ulf Schäl führen das Unternehmen als geschäftsführende Gesellschafter. Im Interview mit Christian Seigerschmidt, Vorstandsvorsitzender des Unternehmer-Clubs pro Troisdorf, und Carsten Seim, avaris | konzept, informierten Elena und Jens Schäl über die Arbeit ihres Unternehmens, das sie im November 2015 gegründet haben. Die lieber-zuhause GmbH betreut Menschen in der Grundpflege und erledigt häusliche Dienstleistungen wie zum Beispiel den Einkauf. Sie möchte, dass sie länger zuhause bleiben können. Das Gespräch in der Firmenzentrale in der alten Schule in Troisdorf-Oberlar fand statt zur Vorbereitung des Unternehmer-Frühstücks von pro Troisdorf und der Wirtschaftsförderung TROWISTA am 16. August 2023.

Wie kamen Sie auf die Idee, die lieber-zuhause GmbH zu gründen?

Jens Schäl: Mein Bruder Ulf und ich hatten einen CD-ROM-Verlag für elektronische Datenbanken und waren unter anderem als Vertriebspartner für Kursbücher der Deutschen Bahn tätig. Das Geschäft lief irgendwann nicht mehr, und wir haben uns nach Alternativen umgesehen. Auf der Suche nach geschäftlichen Alternativen haben wir uns über die größten Franchiseunternehmen in den USA informiert. Hier sind wir auf Unternehmen wie „Right at Home“ oder „Home Instead“ gestoßen, die sich mit der häuslichen Betreuung älterer Menschen daheim befassen. Wir haben anfangs überlegt, deren Franchisepartner zu werden. Doch dann haben wir entschieden, auf eigene Faust tätig zu werden: „Sehen, verstehen und selbst machen“ war das Prinzip unserer Unternehmensgründung. Unsere Pflegedienstleiterin Rita Sturm, die uns seit unserer GmbH-Gründung im November 2015 begleitet, war anfangs skeptisch. Sie hat unseren Plan zuhause durchgerechnet und sagte einen Tag später: „Ja, das Geschäftsmodell geht!“ Seitdem ging es kontinuierlich bergauf mit der lieber-zuhause GmbH. Im ersten Corona-Lockdown hatten wir im März 2020 einen Einbruch. Aber dann sind unsere Kunden zu uns zurückgekehrt.

Elena Schäl: Ich absolvierte in dieser Zeit gerade eine Heilpraktiker-Ausbildung und habe Ulf und Jens gefragt, ob ich mitarbeiten könnte. Zu meiner Überraschung luden Sie mich zum Mitmachen in der Geschäftsführung ein. Seitdem bin ich die dritte Geschäftsführende Gesellschafterin im Unternehmen.

Sie bieten Grundpflege und Unterstützung im Alltag an. Was tun Sie genau?

Jens Schäl: Grundpflege ist Unterstützung bei der Körperhygiene. Nicht enthalten ist hier die medizinische Betreuung, wie sie Pflegedienste erledigen. Alltagsbetreuung kann beispielsweise Begleitung bei Arztbesuchen oder beim Einkauf sein. Unsere Mitarbeiter kümmern sich auch darum, ob Patienten ausreichend Lebensmittel im Kühlschrank haben, genug essen und trinken. Man geht auch mal gemeinsam ins Kino. Wir helfen beim Kochen. Wir reinigen im Bedarfsfall anschießend auch die Küche. Wir sind allerdings kein spezialisierter Putzdienst.

Elena Schäl: Unsere Mitarbeiter leisten Gesellschaft und beugen dadurch Vereinsamung älterer Menschen vor. Wir haben beispielsweise einmal einem Arzt geholfen. Dessen betagter Vater wollte nicht mehr aufstehen und hatte den Lebensmut verloren. Wir haben ihm eine Mitarbeiterin geschickt. Der alte Herr blühte auf. Er war am Ende wieder so fit, dass er seine Betreuung wieder reduzieren konnte. Ich nenne das Bezugspflege. Eine Patientin haben wir 2015 mit 85 aufgenommen. Ihre Angehörigen hatten uns kontaktiert. Die alte Dame litt unter Demenz. Und die Kinder kamen mit dieser Situation nicht mehr zurecht. Die Patientin ist vor kurzem im Alter von 93 Jahren verstorben. Sie musste nie in einem Heim untergebracht werden.

Gibt es bei Ihnen einen „Eckpatienten“, was die Betreuungszeiten angeht?

Jens Schäl: Die Mindestbetreuungszeit, die Sie bei uns buchen können, beläuft sich auf zwei Wochenstunden. Wir rechnen mit einem Satz von 47,90 Euro ab. Davon finanzieren wir aber unsere gesamte Unternehmens-Infrastruktur. Und natürlich müssen wir als Unternehmen auch Gewinne erzielen. Enthalten sind in den abgerechneten Sätzen auch Urlaube, Sozialbeiträge und krankheitsbedingte Fehlzeiten unserer Mitarbeitenden.

Jens Schäl: Die mögliche Stundenzahl hängt von den je nach Pflegegrad erlaubten Stunden ab. Beispielsweise wären bei einem Pflegegrad 3 rund 1300 Euro monatlich im Topf der Pflegekasse. Zwei bis drei Einsätze in der Woche sind bei uns ein Mittelwert. Es gibt einige wenige Kunden, die beispielsweise im Ausland leben und unseren Einsatz privat bezahlen. Überwiegend werden wir aber über Kranken- und Pflegekassen bezahlt.

Wann sollte man zu Ihnen kommen?

Jens Schäl: Möglichst frühzeitig. Denn wir wissen, wo finanzielle Unterstützung mobilisierbar ist. Manche Geldtöpfe haben Verfallsdaten. Deshalb ist rechtzeitige Planung erforderlich. Leider sprechen Familien in guten Zeiten nicht darüber, was kommen soll, wenn es einmal nicht mehr so gut läuft. Hier gibt es die 40-50/70-80-Regel: Wenn die Angehörige zwischen 40 und 50 sind, und die Eltern 70 oder 80, dann sollte man darüber sprechen, was geschehen soll, wenn Unterstützung erforderlich wird. Oft erhalten wir erst Nachricht, wenn der Fall bereits eingetreten ist. Wenn wir rechtzeitig angesprochen werden, können wir gemeinsam auch die finanziellen Möglichkeiten besprechen. Vereinzelt arbeiten wir auch für Menschen mit psychischen Problemen oder Frauen mir Problemschwangerschaften. Im Regelfall sind es aber Menschen mit altersbedingten Alltagseinschränkungen.

Fachkräftemangel in der Pflege: Sind auch sie davon betroffen?

Elena Schäl: Wir suchen für unser Tochterunternehmen in Bonn derzeit eine Pflegedienstleitung. Solche Kräfte sind rar gesät. Wir suchen über unsere Standorte in Troisdorf und Bonn hinaus für eine eventuelle weitere Betriebsstätte in Königswinter noch weitere Pflegekräfte. In Troisdorf und Bonn können wir unseren Arbeitskräftebedarf aber gut decken.

Warum?

Jens Schäl: Der Fachkräftemangel in der Pflege trifft uns weniger als andere. Denn wir sind in der Grundpflege und Alltagsbegleitung nicht darauf angewiesen, mit examinierten Pflegekräften zu arbeiten. Wir haben viele Quereinsteiger, die wir selbst schulen und so an ihre Aufgaben heranführen. Wir haben auch einige examinierte Kräfte im Team, die aus der klassischen Pflege kommen. Sie wechseln zu uns, weil sie den Zeitdruck in der ambulanten und stationären Pflege oder den Schichtdienst auch an Wochenenden für sich nicht mehr wollen. Das gilt vor allem für Personen mit Mitte, Ende 50, die noch etwas hinzuverdienen, aber stressfreier tätig sein wollen.

Elena Schäl: Bei uns kann jeder Mitarbeitende seine Arbeitszeit selbst gestalten, so wie er oder sie es will. Auch drei Wochen Sommerurlaub richtet unsere Pflegedienstleitung problemlos ein, wenn das gewünscht ist. Junge Mütter im Team schätzen unsere Arbeitszeitflexibilität. Wir haben viele Mitarbeiterinnen, die beispielsweise die Kindergartenzeiten ihres Nachwuchses zum Arbeiten nutzen. Wir bieten eine sehr hohe Arbeitszeitflexibilität. Eine weitere Beschäftigtengruppe sind Pflegekräfte oder junge Rentner, die sich noch etwas dazuverdienen wollen. Wir richten uns nach deren Zeitfenstern.

Wie verwalten Sie solch individuelle Arbeitszeitmodelle?

Jens Schäl: Deshalb haben wir zwei Vollzeitmitarbeiterinnen, die sich nur um die Disposition kümmern und auch für Vertretung im Krankheits- oder Urlaubsfall sorgen. Das geht nicht mehr händisch, sondern nur noch digital. Wir arbeiten mit der Software CuraSoft. Darüber wickeln wir auch die Abrechnung ab. Die Mitarbeitenden sehen ihre Einsatzzeiten über eine DSGVO-konforme App. Früher haben wir beim Mitarbeitereinsatz mit WhatsApp gearbeitet, doch die aktuell genutzte App ist dieser Methode überlegen und erfüllt die erforderlichen Datenschutz-Standards. Mitarbeitende können darüber die für sie notwendigen Kundendaten einsehen und ihre Arbeitszeiten „stempeln“. Am Schluss gleichen wir das mit den eingereichten Stundenzetteln ab.

Die digitale Anwendung hilft uns auch bei einer bürokratischen Neuerung aus dem vergangenen Jahr: Jede in der Pflege tätige Person hat eine lebenslange Beschäftigtennummer erhalten. Man hätte vielleicht auch die Steuer-ID nehmen können. Stattdessen haben wir nun diese neuen Nummern, die von einer neu eingerichteten zentralen Stelle verwaltet werden. Dort müssen wir unsere Beschäftigten anmelden. Ohne Nummer erhalten wir kein Geld für eingereichte Leistungsnachweise.

Sie sind aber 24 Stunden erreichbar, haben Sie uns in einem früheren Interview gesagt …

Elena Schäl: Für Notfälle ist das so! Unser Büro ist regulär zwischen 8 bis 16 Uhr geöffnet. Außerhalb dieser Zeiten verweist eine Bandansage auf das Bereitschaftshandy. Dieses Handy hat unsere examinierte Pflegedienstleitung bei sich. Sie ist Ansprechpartnerin, wenn Mitarbeitende beispielsweise medizinische Notfallsituationen bei ihren Betreuungspersonen vorfinden oder wenn etwa die Tür nicht geöffnet wird.

Was tun Sie im Wettbewerb um Arbeitskräfte über flexible Arbeitszeiten hinaus für Ihr Employer-Branding?

Jens Schäl: Wir zahlen mindestens nach Tariftreuegesetz: Seit September 2022 zahlen wir ungelernten Betreuungskräften statt 13 Euro 17,10 Euro. Wir pflegen auch die Gemeinschaft im Team – zum Beispiel durch ein Mitarbeitergrillen auf unserem Hof. Eine zweistellige Zahl an Mitarbeitenden ist seit dem Jahr 2015 bei uns beschäftigt. Sie schätzen das zwischenmenschliche Miteinander bei uns. Typisch für uns sind lange Betriebszugehörigkeiten.

Wie finanzieren Sie Ihre Arbeit?

Elena Schäl: Wir rechnen zu 90 Prozent mit Kranken- und Pflegekassen ab. Wir handeln mit den Krankenkassen Punktwerte für unsere Leistungen aus, nach denen abgerechnet wird. Das ist ein zähes Geschäft, das teilweise bis zur Schiedsstelle geht. Wir haben dafür einen teuren externen Berater benötigt, um uns durch den Paragraphen-, Verordnungs- und Bürokratiedschungel zu kämpfen. Die Patienten haben je nach Pflegegraden unterschiedliche Budgets. Ein Problem dabei: Die uns gezahlten Budgets sind nach der Stundenlohnerhöhung im vergangenen Jahr nicht entsprechend angehoben worden! Entsprechend reduziert sich leider die Betreuungszeit beim Patienten.

Wer kann sich an Sie wenden?

Jens Schäl: Rufen Sie einfach bei uns an. Die Pflegedienstleitung klärt vor, was machbar ist. Wir fahren dann zu einem kostenlosen Erstgespräch zum Patienten und den Angehörigen. Teilweise gibt es auch Beratungsgespräche, die wir abrechnen können. Angehende Kunden haben die Wahl, ob sie sich uns zu 100 Prozent anvertrauen oder eine Mischform in Kombination mit einem klassischen Pflegedienst wählen. Dies kann erforderlich sein, wenn über unsere Betreuungsleistung hinaus beispielsweise Wundversorgungen durch examinierte Fachkräfte durchzuführen sind. Wir haben zwar die Zulassung dazu, machen das aber bewusst nicht, um nicht in Konkurrenz zu klassischen Pflegediensten zu geraten, mit denen wir zusammenarbeiten.

Wer ist Ihr exemplarischer Kunde?

Elena Schäl: Zum Beispiel eine 90-jährige Dame, die nicht mehr so fit ist, dass sie allein durch den Alltag kommt, nicht mehr genug trinkt und isst. Sie hat liebende Angehörige, die aber auch ein eigenes Leben brauchen. Sie wollen aber auch nicht, dass sie ins Heim kommt.

Wir haben auch guten Kontakt zu den sozialen Diensten der Krankenhäuser und organisieren mit ihnen die Krankenhausnachsorge. Wir sind hier vielfach Problemlöser, wenn ältere Patienten das Krankenhaus verlassen müssen. Zumal auch Heimplätze sehr knapp sind. Aus Kundensicht ist uns außerdem wichtig: Sie können unseren Dienst innerhalb von 24 Stunden kündigen, wenn Sie nicht zufrieden sind.

Wie sehen Sie die Zukunftsaussichten Ihres Unternehmens?

Jens Schäl: Die Demografie treibt den Bedarf an unserer Dienstleistung voran. Wenn wir in dieser Lage nicht wachsen, machen wir etwas falsch. Wir haben kontinuierlichen Umsatzzuwachs und schauen zuversichtlich in die Zukunft.

Interview: Christian Seigerschmidt, Carsten Seim

pro Troisdorf-Fact Sheet lieber-zuhause GmbH

  • Geschäftsführende Gesellschafter: Elena Schäl, Jens Schäl, Ulf Schäl
  • Unternehmenszweck: Grundpflege und hauswirtschaftliche Unterstützung
  • Team: Drei Pflegedienstleiterinnen, mehr als 100 Beschäftigte im Außendienst – weit überwiegend weiblich und überwiegend in Teilzeit. Das Unternehmen ist an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden erreichbar.
  • Patientenzahl: rund 350
  • Standorte: Troisdorf und Bonn (lieber-zuhause GmbH Bonn GmbH seit Mai 2021)
  • Aktionsradius: Troisdorf, Siegburg, Sankt Augustin, Bonn und Umgebung
  • Internet: www.lieber-zuhause.de 

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