pro Troisdorf-Interview mit Ulrich Kremer, CEO der Silver Plastics GmbH & Co. KG

Donnerstag, 27. Oktober 2022 pro Troisdorf-Interview mit Ulrich Kremer, CEO der Silver Plastics GmbH & Co. KG

pro Troisdorf-Interview mit Ulrich Kremer, CEO der Silver Plastics GmbH & Co. KG

„Wir brauchen einen europäischen Rahmen für Energiepreise!“

Ulrich Kremer ist langjähriger CEO der silver plastics GmbH & Co. KG. Das 1967 gegründete Unternehmen beliefert Deutschland und den europäischen Markt mit Verpackungsschalen aus verschiedensten Kunststoffarten und seit neuestem auch mit natürlichen Faserschalen, die zum Teil aus Agrarresten bestehen. Im Interview mit Christian Seigerschmidt, Vorstandsvorsitzender des Unternehmer-Clubs pro Troisdorf, und Carsten Seim erläutert er den Umgang seines Unternehmens mit den extrem gestiegenen Strompreisen. Er fordert im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen einen europäischen Preisrahmen bei den Energiekosten.

Herr Kremer, wir treffen uns aus Anlass der Energiekrise. Wie würden Sie dieses Problem in einer Hierarchie von Themen in Ihrem Unternehmen einordnen?

Kremer: Es hat zurzeit ein sehr großes Gewicht, weil das Extrudieren und Tiefziehen von Verpackungen Strom verbraucht. Energiekosten sind aber nur eins der schwierigen Themen, denen wir uns zu stellen haben.

Und welche anderen wichtigen Themen haben Sie zu lösen?

Kremer: Wir sind Hersteller von Verpackungsmitteln aus Kunststoff und haben unser Sortiment um natürliche Fasern erweitert. Gerade Kunststoffverpackungen sind einer emotionalen und damit oft faktenfremden Diskussion ausgesetzt. Wir haben die Herstellung von Verpackungsmaterialien mit Polystyrol – PS – begonnen. Schaumverpackungen aus diesem Kunststoff haben einen Top-CO2-Wert und sind sehr leicht, was laut einer für uns erstelltem Fraunhofer-Institut-Zertifizierung ökologisch vorteilhaft ist. Sie sind aber vom Verbraucher emotional nicht mehr so akzeptiert, obwohl diese Schalen ihren Job als Fleischverpackung preiswert, umweltgerecht und insgesamt sehr gut machen!
Und wie reagieren Sie auf dieses Akzeptanz-Problem?
Kremer: Wir haben auf diesen Meinungstrend beispielsweise mit Polypropylen-Verpackungen – PP – reagiert. Diese sind hitzebeständig und damit auch Mikrowellen-geeignet. Der dritte Kunststoff, den wir verarbeiten, ist Polyester – PET. Wir kennen diesen auch von Getränkeflaschen. PET lässt sich hundertprozentig recyceln, weil man anders als bei den beiden vorgenannten Materialien hier die Molekülketten wieder komplett neu aufbauen kann. Bei PS und PP ist nur Downcycling möglich. Die Produktion von PET-Verpackungen hat uns jedoch eine hohe Investition abgefordert.

Wie hat sich das im Detail dargestellt?

Kremer: Für rund 5 Millionen Euro haben wir von unserer Muttergesellschaft, der Reifenhäuser Group, eine komplett neue Extruder-Anlage gekauft. Dieser Extruder ist einer der modernsten in Europa und besonders auf das Recyceln von PET-Kunststoff ausgerichtet. So können wir technisch auch schlechtere Rezyklate verarbeiten und im Kreislauf führen. Denn PET ist das einzige Material, dass sich unserer Ansicht nach eignet, es im Kontakt mit Lebensmitteln immer weiter im Kreislauf zu führen. Bestes Beispiel ist hier die Einweg-Flasche.

Aufgrund der Debatte um Kunststoff-Verpackungen haben wir uns jedoch weiter diversifiziert. Wir verkaufen inzwischen auch Faserverpackungen, die zum Beispiel auch aus Agrarresten der Landwirtschaft bestehen. Dafür haben wir von einer französischen Supermarktkette sogar einen Preis für eine besonders innovative Fleischverpackung bekommen. Unabhängig davon: Die CO2-Bilanz einer PS-Kunststoffverpackung ist dennoch günstiger! Zudem haben Kunststoffverpackungen beim Thema Wasser einen enormen Vorteil gegenüber den oft nur nachhaltig wirkenden Pendants aus Papier oder Bagasse (Erläuterung: Als Bagasse werden faserige Pflanzenreste bezeichnet). Unterm Strich: Wir haben insgesamt mehr Aufwand, um den Markt mit seinen veränderten Anforderungen zu bedienen.

Wie wirkt sich all das betriebswirtschaftlich bei Ihnen aus?

Kremer: All das erfordert zusätzliche Investitionen, die wir refinanzieren müssen. Dabei sind wir vor allem hierzulande mit einem äußerst preissensiblen Markt konfrontiert. Denn Deutschland ist ein Discountland. Lebensmittel und damit auch deren Verpackungen sollen möglichst billig sein. Dieses Prinzip zieht sich durch die gesamte Wertschöpfungskette. Einerseits will man umweltfreundlich hergestellte oder – wie eben ausgeführt –umweltfreundlich wirkende Verpackungsprodukte und zudem noch regionale oder „Bio“-zertifizierte Fleischwaren. Doch andererseits darf es nicht mehr kosten als das herkömmliche Industrie-Produkt. Da kann ein Verpackungsprodukt gern auch aus China kommen, ohne dass man die Produktionsbedingungen dort kennen will. Diesem Preisdruck haben auch wir uns zu stellen.

Wie erleben Sie die Energiepreissteigerungen?

Kremer: Wir hatten drei Jahre lang unseren Strom preisstabil innerhalb der Reifenhäuser-Gruppe eingekauft. Ende August ist dieser Vertrag nun ausgelaufen, und der Preis hat sich nach Ausbruch des Ukrainekrieges inzwischen mehr als verzehnfacht.

Und was tun Sie in dieser Lage?

Kremer: Die Reifenhäuser-Gruppe, zu der wir gehören, hat sich entschieden, bis November den gesamten Strom fürs Jahr 2023 zu kaufen – damit auch für uns, und zwar zum Tagespreis bis Ende November 2022. Wir haben damit zwar wohl Versorgungssicherheit, wissen aber noch nicht, wie unser Durchschnittspreis in diesen Krisenzeiten Ende November aussehen wird.

Meine Auseinandersetzung mit diesem Thema findet mit Blick auf unsere hohe Exportquote nicht in Deutschland statt, sondern in unserem Exportmarkt Europa! Angesprochen sind hier Länder wie Frankreich, unser größter europäischer Absatzmarkt, sowie Italien, Benelux und auch in Skandinavien.

Und was können Sie als Manager hier bewirken?

Kremer: Als Unternehmensentscheider bin ich auf europäischer Ebene politisch fremdbestimmt und mit folgenden Fragen konfrontiert:

  • Wie werden EU-Länder, deren Exportmärkte wir bedienen, mit den Strompreisen umgehen?
  • Wird Italien mit neuer Regierung bei den Energiepreisen einen Alleingang machen?
  • Wie werden mögliche Deckelungen aussehen?
  • Können uns Mitbewerber im europäischen Ausland möglicherweise unterbieten, nur weil in ihren Ländern die Strompreise gedeckelt sind?

Ich kann die Frage, wie ich auf 2023 blicke, deshalb derzeit nicht abschließend beantworten. Bisher hat der Strom rund 3 Prozent unseres Jahresumsatzes ausgemacht. Inzwischen hat dieser Anteil 10 Prozent erreicht. Und wie hoch der Stromanteil am Umsatz im Jahr 2023 sein wird, kann noch niemand sagen.

Erst wenn klar ist, wie andere europäische Länder ihren unternehmerischen Mittelstand beim Strompreis behandeln, kann ich eine Antwort darauf geben, wie wettbewerbsfähig wir im Jahr 2023 dastehen werden.

Was fordern Sie in dieser Lage von der Politik?

Kremer: Ich fordere einen einheitlichen Umgang mit Strompreisen auf der EU-Bühne. Unsere Umsatzrendite liegt nur bei wenigen Prozent. Strompreissprünge können deshalb darüber entscheiden, ob wir im kommenden Jahr im Plus oder im Minus liegen werden. Ein weiteres sind die Treibstoffpreise für den Transport. Dieser ist mit einem Anteil zwischen 10 und 20 Prozent im Produktpreis enthalten. Über die Troisdorfer Logistik GmbH verfügen wir auch über ein eigenes Logistikunternehmen.

Es wird zudem viel davon abhängen, in welchem Ausmaß der Markt bereit ist, notwendige energiekostenbedingte Preiserhöhungen zu akzeptieren.

Haben Sie denn im eigenen Unternehmen alle Möglichkeiten zum Energiesparen ausgereizt?

Kremer: Wir arbeiten seit 2013 mit einem auditierten Energiemanagement und sind dafür auch BRC-zertifiziert. In unserem Unternehmen ist praktisch jede Lampe unter Audit-Kontrolle. Da lässt sich nicht mehr viel herausholen! Wir kämpfen inzwischen um jedes Zehntel Kilowattstunde.

Lässt sich der Energiebedarf der Silver Plastics beispielsweise durch regenerative Energien lindern?

Kremer: Das refinanziert sich frühestens nach sechs bis acht Jahren. Wir arbeiten derzeit mit einem ROI von zwei bis drei Jahren. Es ist also ein Refinanzierungsproblem, weswegen wir beispielsweise Photovoltaik bisher nicht verfolgt haben. Uns fehlen angesichts der bereits erwähnten notwendigen Investitionen in einen neuen Extruder auch die Mittel, um die notwendigen Investitionen zum Beispiel in Photovoltaik zu tätigen.

Gibt es auch Gründe, für die Silver Plastics optimistisch auf 2023 zu schauen?

Wir haben jahrzehntelange Erfahrung in der Branche und halten eigene Patente – zum Beispiel die klebstofffreie Verbindung von Ober-Folien mit unseren Verpackungen, was das Recycling von Kunststoffverpackungen erleichtert. Wir sind Komplettversorger mit etablierten Lieferbeziehungen. Ich bin seit 41 Jahren im Unternehmen, und bisher haben wir alle Krisen gemeistert!

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Interview: Christian Seigerschmidt, Carsten Seim

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pro Troisdorf Fact Sheet silver plastics GmbH & Co. KG

  • Gegründet 1967
  • Heute: Teil der Reifenhäuser Gruppe
  • Mitarbeiter: rund 180
  • Jahresumsatz: rund 50 Millionen Euro
  • Jahresproduktion: 1 Mrd. Verpackungen p. a. für Fleisch, Fisch, Wurst und Käse, Obst und Gemüse, Salat, Feinkost, Take away, Convenience Food, Süßwaren und andere Bereiche.
  • Exportquote nach Europa: rund 75 Prozent – Schwerpunkt Frankreich.
  • Tochterunternehmen:  Troisdorfer Logistik GmbH. Fachbetrieb für europaweite Transportlogistik und Spezialist für Lagerlogistik und Kontraktlogistik; 4000 LKW-Ladungen Produktionsvolumen und rund 300 000 Kubikmeter Ladevolumen p. a.

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