pro Troisdorf-Interview mit Dipl.-Ing. Achitekt BDA Jo Kneutgen

Donnerstag, 27. Oktober 2022 pro Troisdorf-Interview mit Dipl.-Ing. Achitekt BDA Jo Kneutgen

pro Troisdorf-Interview mit Dipl.-Ing. Achitekt BDA Jo Kneutgen

Das Architekturbüro von Jo Kneutgen beschäftigt 20 Mitarbeitende. Arbeitsfelder sind die komplette Begleitung von Bauvorhaben in allen Leistungsphasen bis hin zur Gutachtenerstellung und Vermietung von Objekten. Jo Kneutgen agiert als Bauträger und arbeitet ebenso für private Bauherren. Engagiert ist er derzeit unter anderem mit dem Bau einer Wohnanlage auf dem Gelände von Haus Rott und im Carré Verde, einem neuen Wohnquartier an der Mendener Straße. Aus seiner Feder stammt auch die neue Fassade des Reifenhäuser Hochhauses an der Mendener Straße.

Herr Kneutgen, wie wirken sich die gestiegenen Energiepreise bei Ihnen aus?

Jo Kneutgen: Unser Architektenbüro ist direkt nicht tangiert. Denn wir haben eine große Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Indirekt sind wir aber schon betroffen. Unsere Lieferanten auf den Baustellen rechnen höhere Transportkosten ab, Baustoffpreise steigen. Kalkulationen sind deshalb wacklig. Darauf müssen wir reagieren. Ich würde dem Thema aber langfristig keine allzu große Bedeutung beimessen, weil ich glaube, dass die Lage sich im kommenden Jahr entspannen wird. Ich verfolge langjährige Preisstatistiken zum Beispiel für Gas und Öl. Hier haben wir immer wieder Spitzen gehabt. Aktuell sind die Preise für Gas und Öl schon wieder gefallen. Die Preise werden sich meiner Einschätzung nach auf höherem Niveau konsolidieren. Das wird aber nicht so katastrophal sein, wie es derzeit erscheint. Diese Einschätzung treffe ich unter der Voraussetzung, dass sich der Ukraine-Konflikt im kommenden Halbjahr 2023 löst.

Mit welchen Strategien begegnen Sie diesem Problem?

Kneutgen: Ein Thema sind Wohnungen, die wir vermieten: Ich strebe derzeit nicht an, sofort neue Heizungen einbauen zu lassen, zumal beispielsweise Wärmepumpen derzeit lange Lieferzeiten von bis zu einem Jahr haben. Stattdessen rate ich dazu, erst einmal ruhig zu bleiben. Denn die Förderlage des Gesetzgebers ist derzeit viel zu unscharf und wechselhaft.  Im vergangenen Jahr sind eine ganze Reihe von Energiesparmaßnahmen – zum Beispiel KfW – gestoppt worden. Jetzt würde man das brauchen! Die Politik war vom Erfolg des ungeschickt angelegten KfW-Programms überrascht. Es wäre besser gewesen, man hätte auf Kredite höhere Zuschüsse gewährt, die über eine längere Zeit gestreckt werden, und geringere Sofortzuschüsse. Das war ein strategischer Fehler, der dazu geführt hat, dass die Töpfe leerliefen. Ich rate dazu, jetzt ruhig zu bleiben und abzuwarten, was kommt.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung Ihres Unternehmens mit Blick auf Ende 2022/2023?

Kneutgen: Wir erleben momentan einen Rückgang des Baugeschehens. Ich behaupte aber, dass die Lage sich ändern wird. Man bekommt derzeit langfristige Kredite um 3,5 bis 4 Prozent. Wenn das gepaart mit fehlenden Förderungen so bliebe, würde kein Mensch mehr bauen. Ich glaube aber, dass sich die Zinslage wieder beruhigen und bei 2 Prozent einpendeln wird. Wenn die derzeit hohen Energiepreise wieder sinken, wird sich das alles inklusive Inflation konsolidieren. Noch einmal zurück zu den langfristigen Betrachtungen über 20 oder 30 Jahre: Es waren im Verlauf immer starke Aussschläge drin. Aber diese Zacken hatten keinen Einfluss auf die langfristige Entwicklung. Auf den Aktienmärkten ist dies ebenso. Wenn die Politik klug agiert, wird sich auch die Geldentwertung beruhigen. Vor wenigen Jahren haben Ökonomen noch gesagt, die Inflation sei zu niedrig. Das war auch damals eine Momentaufnahme.

Wenn Sie aktuelle Herausforderungen wie Fachkräftemangel, Lieferkettenprobleme, Energieversorgungsunsicherheiten bei steigenden Preisen vor Augen haben: Was rangiert für Sie an erster Stelle?

Kneutgen: Wir müssen im Bausektor im kommenden Jahr dafür sorgen, dass wir überhaupt genügend Arbeit haben. Dafür muss sich die Inflation und Zinslage beruhigen. Wir dürfen uns jetzt keine Angst einjagen lassen. Meine Mutter, 88, fragt mich immer, warum sich alle so aufregen. Sie hat Kriegszeiten im Keller verbracht. Das ist für mich ein Stückweit wegweisend. Uns geht es allgemein immer noch gut! Fachkräftemangel ist momentan kein Thema für mich, weil ich mein Team derzeit nicht vergrößern will. Wenn ich Fachkräfte suche, nehme ich übrigens am liebsten solche mit Migrationshintergrund. Denn diese haben ein anderes Feuer als viele deutsche Bewerber.

Was sollte die Politik aus Ihrer Sicht tun, um Unternehmen in dieser Krise beim Überleben und beim Erhalt von Arbeitsplätzen zu helfen?

Kneutgen: Wir dürfen unseren Wohlstand nicht durch dumme Politik vor die Wand fahren. Politik ist mir derzeit zu zögerlich und zu reaktiv. Gehandelt wird nur, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht. Politik müsste viel offensiver sein. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie durchaus auf einem hohen Niveau für ein halbes Jahr die Preise für Gas und Strom deckelt, so verlässliche Rahmenbedingungen schafft und dafür sorgt, dass niemand hopsgeht. Zudem muss man ALLE Energiequellen nutzen, die uns zur Verfügung stehen! Zudem müssen bürokratische Hürden für den Ausbau regenerativer Energiequellen wie Photovoltaik abgebaut werden! Es muss einfach sein, eine PV-Anlage auf das Dach zu bauen und beispielsweise den Mietern den Solarstrom zu verkaufen! Wir haben es mit enormen Hürden bei den Finanzämtern zu tun, die PV-Anlagen ins Betriebsvermögen hineinnehmen wollen. Am Ende soll man dafür auch noch Gewerbesteuer zahlen. Diese Bürokratie ist – ich muss es leider so sagen – ätzend. So kommen wir nicht voran!

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Interview: Christian Seigerschmidt, Carsten Seim

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