pro Troisdorf-Interview mit Alexander Biber, Bürgermeister der Stadt Troisdorf

Donnerstag, 27. Oktober 2022 pro Troisdorf-Interview mit Alexander Biber, Bürgermeister der Stadt Troisdorf

pro Troisdorf-Interview mit Alexander Biber, Bürgermeister der Stadt Troisdorf

Alexander Biber ist Bürgermeister Troisdorfs, der einwohnerstärksten Stadt im Rhein-Sieg-Kreis. Die Stadtverwaltung Troisdorf beschäftigt 1400 Mitarbeitende.

Herr Biber, wie wirken sich die gestiegenen Energiepreise bei Ihnen aus?

Alexander Biber: Das können wir aktuell noch gar nicht sagen, weil wir derzeit die Lieferverträge neu ausschreiben. Unser Hauptproblem dabei ist, überhaupt einen Stromanbieter zu finden, der sich preislich über einen längeren Zeitraum festlegen will. Bis dato haben die Grenzkosten von Kohlekraftwerken den Strompreis bestimmt. Strom aus Gas war vor der Krise billiger. Weil aber das Gas so teuer geworden ist, sind nun die Herstellungskosten von Gaskraftwerke preisbestimmend.

Die Preise für Gas sind von ursprünglich 50 Euro pro Megawattstunde vor der Ukrainekrise auf 1000 Euro hochgeschnellt. Aktuell schwanken sie bis zu Werten um die 500 Euro. Das hat den gesamten Markt auf den Kopf gestellt, und niemand will derzeit einen langfristigen Kontrakt über ein halbes oder ein ganzes Jahr anbieten. Deshalb ist es aktuell auch schwierig für Betriebe, Stromlieferverträge abzuschließen. Es gibt dafür praktisch kein Angebot auf dem Markt.

Mit welchen Strategien begegnen Sie diesem Problem?

Biber: Das Mittel der Preiserhöhung, um die gestiegenen Energiekosten aufzufangen, steht mir als öffentlicher Verwaltung anders als möglicherweise Unternehmen nicht zur Verfügung. Uns in Troisdorf kommt aktuell zugute, dass wir bei öffentlichen Gebäuden schon früh in Energieeffizienz investiert haben. So wird unser Rathaus bereits heute in der Grundlast per Luft-Wärme-Pumpe beheizt. Nur an sehr kalten Tagen springt dann zusätzlich noch eine Gasheizung an. Das hilft uns jetzt, aber wir haben nicht mehr so hohe Potenziale zur weiteren Energieeinsparung, wie beispielsweise Kommunen, die energetische Modernisierungen verschleppt haben. Auch bei allen Neubauten und Modernisierungen haben wir stets auf energieeffiziente Heizungen geachtet – zum Beispiel Blockheizkraftwerke. Wir haben Fassaden an Schulen konsequent gedämmt. Unser Energieeffizienzniveau ist deshalb bereits hoch.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung mit Blick auf Ende 2022/2023?

Biber: Wir gehen in eine Rezession. 2023 sieht es nach den Zahlen, die mir bekannt sind, bei den städtischen Einnahmen noch ganz gut aus. Doch die Wirtschaftskrise wird 2024 ganz sicher auf die Einnahmesituation der Stadt durchschlagen! Das liegt für mich noch im Dunklen.

Wenn Sie aktuelle Herausforderungen wie Fachkräftemangel, Lieferkettenprobleme und Energieversorgungsunsicherheiten bei steigenden Preisen vor Augen haben: Was rangiert für Sie an erster Stelle?

Biber: Der Arbeitskräftemangel ist für uns schon ein sehr wichtiges Thema. Es ist mittlerweile schwer, überhaupt jemanden zu bekommen, geschweige denn eine Fachkraft. Bei einer Stellenausschreibung bin ich heute schon froh, wenn sich eine Handvoll Leute melden, die die grundsätzlichen Anforderungen erfüllen und die wir verwaltungsintern zu Fachleuten weiterbilden können. Wir reagieren darauf mit Weiterqualifizierung unseres Bestandspersonals.

Lieferkettenprobleme betreffen uns beispielsweise bei Baustoffen für Neubauten wie die Gesamtschule in Sieglar. Es ist bisweilen schwer, überhaupt etwas zu bekommen. Unternehmen in Deutschland haben beispielsweise Schwierigkeiten, Aluminium wirtschaftlich zu produzieren – deshalb ist es derzeit kaum lieferbar.

Was sollte die Politik aus Ihrer Sicht tun, um Unternehmen in dieser Krise beim Überleben und beim Erhalt von Arbeitsplätzen zu helfen?

Biber: Ich glaube, dass wir in dieser Krise um Markteingriffe des Staates beim Strompreis nicht herumkommen. Sonst droht uns das Risiko einer Deindustrialisierung Deutschlands. Als Aufsichtsratsvorsitzender der Troisdorfer Stadtwerke unterstütze ich die Forderung des Verbandes kommunaler Unternehmen, VKU, nach einem bundesweiten Schutzschirm, um die Liquidität am Beschaffungsmarkt sicherzustellen. Die Unterstützung einzelner Energieversorger reicht dabei nicht aus.

Zudem brauchen wir langfristige Gas-Lieferverträge mit Ländern wie Katar oder Saudi-Arabien, auch wenn LNG teurer ist. Auch Pipeline-Gas aus dem Osten sollten wir, wenn es wieder ungehindert fließt, in einen Mix mit anderen Energiequellen weiter beziehen. Die einseitige Abhängigkeit von Russland darf aber nie mehr so groß werden, wie Sie war!

Zudem müssen für die Dauer der Krise alle zur Verfügung stehenden Kraftwerke ans Netz, um durch ein erhöhtes Stromangebot die horrenden Preise zu dämpfen – für mich heißt das: Steinkohle, Braunkohle und auch alle verfügbaren Kernkraftwerke. Auch Klimaziele müssen aktuell auf den Prüfstand gestellt werden.

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Interview: Christian Seigerschmidt, Carsten Seim

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