Meike Rahm: „Das Miteinander im Team hat mich in dieser Krise sehr bewegt.“

Donnerstag, 02. Juli 2020 Meike Rahm: „Das Miteinander im Team hat mich in dieser Krise sehr bewegt.“

Meike Rahm: „Das Miteinander im Team hat mich in dieser Krise sehr bewegt.“

Pro Troisdorf-Interview mit Meike Rahm, Geschäftsführende Gesellschafterin von rahm – Zentrum für Gesundheit

rahm – Zentrum für Gesundheit, Sanitätshaus mit zwei Zentralstandorten am Iltisweg und im Camp Spich, unterhält 40 Standorte im Rheinland und beschäftigt rund 800 Mitarbeiter. Im pro Troisdorf-Interview erklärt Meike Rahm, Geschäftsführende Gesellschafterin, wie Ihr Unternehmen von der Corona-Krise getroffen wurde und welche Bewältigungsstrategien die Unternehmensführung gewählt hat.

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Meike Rahm

Frau Rahm, wie hat sich die Corona-Krise bei Ihnen ausgewirkt?

Nach einem noch recht guten März hat uns die Corona-Krise im April und Mai hart erwischt. Im März hatten viele unserer Kunden noch ihren längerfristigen Bedarf gedeckt, weil sich die Anzeichen eines bevorstehenden Shutdowns ja verdichteten. Wir hatten zudem noch Einnahmen aus den vergangenen Monaten abrechnen können. Im April lagen wir um 25 Prozent hinter dem Vorjahresmonat. Im Mai waren es nur noch 10 Prozent Minus im Vorjahresvergleich. Den Juni hoffen wir mit einem Minus von 5 Prozent abschließen zu können. Um eine Orientierung zu geben, was diese Prozentzahlen in absoluten Zahlen bedeuten: Wir haben in guten Monaten einen Umsatz von rund sieben Millionen Euro.

Waren Sie von Schließungen während des Shutdowns betroffen?

Nein, glücklicherweise nicht, weil wir als systemrelevant gelten. Allerdings ist die Kundenfrequenz bei uns deutlich gesunken, weil viele Menschen Angst vor Ansteckung haben. Man darf nicht vergessen, dass viele unserer Kunden schon älter sind und ein höheres gesundheitliches Risiko als der Durchschnitt der Bevölkerung tragen. Das führte im April bei vielen fast zu einer Art Schockstarre. Man blieb einfach zuhause. Getroffen hat uns auch, dass viele nicht zum Arzt gegangen sind und geplante Operationen verschoben worden sind. Niedergelassene Mediziner haben mir berichtet, dass auch dringend notwendige Facharztbesuche nicht stattgefunden haben. Die Verordnungen von Hilfsmitteln fehlten uns daher. Das war eine Hauptursache für die enormen Einbrüche im April.

Sie sprachen eben davon, dass Sie mit einer Besserung im Juni rechnen.

Nach den erfolgten Lockerungen füllen sich die Innenstädte wieder, und damit steigt auch unser Filialbesuch wieder an. Auch die Arztpraxen füllen sich wieder. Zur Normalität kehren auch die Kliniken zurück. Sie mussten phasenweise ja kurzarbeiten lassen, weil die Betten für Corona-Patienten freigehalten wurden, die in dieser Masse so nicht kamen. In dieser Lage hat auch Bundesgesundheitsminister Spahn dazu aufgefordert, zur Normalität im Klinik-Alltag zurückzukehren. Ein weiteres: Unser Mitarbeiter kamen teilweise gar nicht in Altenheime oder Kliniken, weil hier Besuchsverbote herrschten.

Was tun Sie, damit die Menschen das Zutrauen haben, Ihre Filialen besuchen zu können?

Bereits im März haben wir strikte Hygienemaßnahmen eingeführt. Unsere Mitarbeiter wurden mit Masken, unsere Geschäfte mit Spuckschutzwänden und Abstandsbändern ausgestattet. Omnipräsent sind seit Anbeginn auch Desinfektionsmittel und Handschuhe. Wir mussten all das praktisch über Nacht realisieren.

Hatten Sie Lieferengpässe bei Masken und anderen Hygieneartikeln?

Wir haben mit Gregor Schorn einen hervorragend vernetzten Einkäufer, der im Bedarfsfall praktisch alles beschaffen kann. Zudem hatten wir Vorräte, weil wir solche Hygieneartikel routinemäßig an pflegebedürftige Menschen verschicken. Kleinere Engpässe gab es bei Masken, die zum Teil beim Zoll festhingen. Unsere 3D-Abteilung hat 3D-Masken hergestellt, die den eigenen Bedarf deckten, aber auch extern gut verkauft wurden. Diese schließen Mund und Nase gut ein und lassen sich bequem tragen.

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Gab es in der Krise sonstige Probleme mit Lieferketten?

Nur am Rande. Viele unserer Rollatoren kommen aus China. Zu einem Engpass kam es hier nicht, weil wir bereits Mitte Januar , als Corona in China begann, klugerweise ausreichende Mengen bestellt hatten. 

Was tun Sie darüber hinaus, um die Krise zu bewältigen?

Wir haben es ähnlich gemacht wie es Daniel Helm in seinem pro Troisdorf-Interview beschrieben hat: Agieren statt Jammern. Nur das hilft weiter. Konkret: Wir haben unsere Service um eine Videoberatung für unsere Kunden erweitert. Wir kümmern uns um die Rezeptbeschaffung, sodass Betroffene nicht zum Arzt gehen müssen. Wenn Sie das Rezept bereits haben, können sie es über unsere Homepage auch zur weiteren Bearbeitung durch uns uploaden. Da, wo es sinnvoll ist, haben wir auch telefonisch beraten und Hilfsmittel verschickt.

Wir haben in der Corona-Zeit eine Filiale  komplett umgebaut und zwei neue eröffnet – Köln-Weiden und Oberpleis. Das mag man in dieser unsicheren Zeit für wahnwitzig halten, wir haben es einfach gemacht! Wir haben ein komplett neues Produkt eingeführt und die entsprechenden Lizenzen ür NRW und Rheinland-Pfalz erworben: den Mollii-Suit; dieser stimuliert mit Stromimpulsen Muskeln und verbessert das Gangbild von MS- oder Schlaganfall-Patienten. Wir haben unsere Kundendatei durchgeschaut und Kunden, die kassenseitig Anspruch zum Beispiel auf neue Kompressionsstrümpfe haben, aktiv angerufen, um Umsatz zu generieren. Wir schauen nach vorn. Und ich glaube, dass wir durch unsere Maßnahmen zur Krisenbewältigung gestärkt dastehen, auch wenn diese Formulierung etwas abgegriffen klingen mag.

Wie schützen Sie Ihre Mitarbeiter vor der Pandemie?

Über die beschriebenen Hygienemaßnahmen hinaus arbeiten wir in Teams, die sich, wenn möglich, nicht begegnen, um Ansteckungsrisiken zu begegnen. Auch als Geschäftsführung haben wir uns auf drei verschiedene Gebäude in Troisdorf verteilt, um für den Fall, dass sich jemand infizieren sollte, als Unternehmen auf jeden Fall handlungsfähig zu bleiben. Wir haben auch einige Mitarbeiter ins Home-Office geschickt. Nun ist es aber schön, dass auch persönliche Begegnungen langsam in den Alltag zurückkehren.

Viele Unternehmen mussten und müssen kurzarbeiten lassen. Wie ist die Lage bei Ihnen?

Voll präsent ist bei uns die Personalabteilung, weil diese krisenbedingt sehr viel Arbeit hat. Ansonsten waren im April alle in Kurzarbeit. Im April hatten wir unsere Mitarbeiter im Schnitt auf 60 Prozent Arbeit beziehungsweise 40 Prozent Kurzarbeit eingestellt. Die Quote ist im Nachhinein niedriger ausgefallen. Im Juni liegen wir noch bei 5 Prozent Kurzarbeit. Die Betroffenheit des einzelnen Mitarbeiters war hier sehr unterschiedlich: Es gab auch Personen, die freiwillig 100 Prozent kurzgearbeitet haben, weil sie kranke Angehörige zuhause hatten. Dafür konnten andere Kollegen voll arbeiten. Insgesamt hat die Krise eine große Solidarität im Team aufgezeigt. Es gab auch Kollegen, die freiwillig verstärkt kurzgearbeitet und auf Geld verzichtet haben, um einem anderen, der mehrere Kinder zu versorgen hat, mehr Einkommen zu ermöglichen. Unsere Führungskräfte haben uns im April vier Urlaubstage geschenkt, obwohl sie voll gearbeitet haben. Im Mai waren es noch einmal zwei Urlaubstage. Dieses Miteinander in unserem Team hat mich in dieser Krise sehr bewegt.

Wie ist Ihr Ausblick auf das zweite Halbjahr?

Ich glaube, dass wir zum Ende 2020 einen Umsatz wie 2019 erreichen plus eventuell einen kleinen Aufschlag erreichen. Im März hatte ich ein paar Tage lang Befürchtungen, wo die Krise uns hinführen wird. Als Gewinn dieses Krisenjahres werden wir mitnehmen, dass der Zusammenhalt in unserem Unternehmen enorm zugenommen hat. Jeder von uns ist in dieser Zeit gewachsen.

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Interview: Christian Seigerschmidt, Carsten Seim

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