Interview zum  Unternehmerfrühstück bei Carnevalshut Creationen

Freitag, 11. November 2016 Interview zum Unternehmerfrühstück bei Carnevalshut Creationen

Auf dem Bild:

Petra Zimmermann, Leonie Schneider-Kuttig und Monika Zimmermann in der Werkstatt von Carnevalshut Creationen (von links). 

Interview zum Unternehmerfrühstück bei Carnevalshut Creationen

„Man hat uns die Selbstständigkeit anfangs nicht zugetraut“

Die Schwestern Monika (53) und Petra Zimmermann (60), angelernte Näherinnen in einer Spicher Karnevalshut-Manufaktur, wurden im Jahr 2007 nach jahrzehntelanger Betriebszugehörigkeit arbeitslos. Statt zu resignieren, machten sie sich mit einem eigenen Unternehmen selbstständig und bedienen heute bundesweit Kunden. In der Region sind sie beispielsweise zu Lieferantinnen für den Kaufhof und die Deiters GmbH avanciert. Im Gespräch mit Leonie Schneider-Kuttig, Vorstandsvorsitzende des Unternehmer-Clubs pro Troisdorf, und Carsten Seim schildern sie ihren Erfolgsweg in die Selbstständigkeit. Das Interview fand im Vorfeld eines Unternehmerfrühstücks in ihrer Spicher Werkstatt statt. Rund 70 Gäste hatten sich für diesen Termin von pro Troisdorf und TROWISTA am 11.11.2016 um 11 Uhr 11 angemeldet.

Wie haben Sie Ihr Unternehmen gestartet?

Petra Zimmermann: Meine Schwester und ich haben langjährig als angelernte Näherinnen für Karnevalshüte in der Firma von Hans Dreck in Spich gearbeitet. Wir waren sieben Kinder zuhause und mussten von klein an Geld verdienen. Meine Schwester Monika war 28 Jahre dort, ich 38 Jahre. Dann wurde das Unternehmen an eine Vertriebsfirma aus Bergisch-Gladbach verkauft. 2007, zwei Tage vor Weiberfastnacht, sind wir alle entlassen worden. Das war ein großer Schock für uns. Ich war davon ausgegangen, dass ich bis zu Rente bei der Firma in Spich bleiben würde. Zuerst haben wir uns einen Rechtsanwalt genommen und uns durch zwei Instanzen geklagt, um eine angemessene Abfindung zu erhalten. Man wollte uns nach Jahrzehnten Betriebszugehörigkeit ohne jede Entschädigung abspeisen, das haben wir uns nicht gefallen lassen! Es ging um einige zehntausend Euro.

Monika Zimmermann: Als ich die Kündigung erhalten habe, war für mich klar, ich mache das selbst. Ich wusste: Hier war eine Marktlücke da, die wir schließen konnten. Man hat uns anfangs nicht zugetraut, dass wir es in die Selbstständigkeit schaffen. Aber ich war mir sicher: Ich kann doch nicht zuhause herumsitzen! Ich bin ein Kämpfer, sonst gäbe es mich gar nicht mehr: Ich war als Baby schwer krank und habe das überlebt. Wieso sollte es mir jetzt nicht noch einmal gelingen zu überleben?

Und die Abfindung war der Grundstein für Ihr Unternehmen?

Monika Zimmermann: Nein. So schnell ging das nicht. Wir haben erst versucht, uns zu bewerben. Ich hätte gern auch angestellt in einem Blumenmarkt gearbeitet. Doch immer wieder hörten wir, dass wir angeblich überqualifiziert seien, und andere Gründe, weshalb man uns nicht einstellen wollte. Wir hatten Hartz IV vor Augen und befürchteten, dass es sogar an das Haus gehen könnte, in dem wir lebten.

Petra Zimmermann: Und da habe ich gesagt, das wäre doch gelacht, wenn wir das, was wir können – nämlich Karnevalshüte machen – nicht selbstständig erledigen können. Wir hatten von der IHK ein Schriftstück, das uns bescheinigte, dass wir das so gut können, als hätten wir es in einem Lehrberuf gelernt.

Wie haben Sie dann angefangen?

Monika Zimmermann: Wir sind zur Kreissparkasse gegangen und haben von Herrn Werner Mundorf 25 000 Euro Existenzgründerkredit bekommen. Er hat an unser Konzept geglaubt. Im April 2008 sind wir ganz bescheiden in einem alten Pferdestall gestartet, den uns der Bauer Koch aus Spich für eine ganz kleine Miete überlassen hat. Wir haben damals mit zwei Industrienähmaschinen und zwei Heftmaschinen angefangen. Heute sind es sechs Nähmaschinen. Das sind ja keine normalen Geräte. Jede einzelne kostet bis zu 5000 Euro. Wir haben dann 80 Stunden Existenzgründer-Kurse belegt. Das war obligatorisch.

Und wie haben Sie sich in der Anfangszeit finanziert?

Petra Zimmermann: Wir haben statt Arbeitslosengeld zunächst für ein Jahr einen Existenzgründerzuschuss von der Agentur für Arbeit erhalten. Im zweiten Jahr fiel das weg. Und das war hart! Wir hatten plötzlich hohe Kosten – Steuern, Krankenkasse, Miete. Da haben wir schon mit unserem Schicksal gehadert. Aber wir haben gekämpft und an unsere Idee und unser Können geglaubt.

Wer waren Ihre ersten Kunden?

Monika Zimmermann: In unserer Kündigungszeit bei der alten Firma habe ich schon mögliche Kunden angesprochen. Es war auch etwas Glück dabei. Ein bis heute wichtiger Abnehmer hatte seine Hutproduktion verloren, und wir konnten einspringen. Das hat uns vor allem im ersten Jahr sehr geholfen, Geld zu verdienen.

Wie kamen Sie aus dem Pferdestall an in Ihren heutigen Standort?

Petra Zimmermann: Unsere heutige Spicher Werkstatt mit 200 Quadratmetern Fläche haben wir 2013 bezogen. Sie ist uns heute bereits wieder zu klein. Wir suchen Gewerberäume mit einer Fläche vom 350 bis 400 Quadratmetern in der Nähe mit Parkplätzen – idealerweise mit Tageslicht durch Fenster in den Decken und in der Wand sowie mit Heizung und einem Rolltor.

Heute zählt die sehr bekannte Firma Deiters GmbH zu Ihren Kunden? Wie haben Sie die gewonnen?

Petra Zimmermann: Das hat etwas gedauert. Eine Firma wie Deiters wartet erst einmal zwei bis drei Jahre, um zu sehen, wie sich ein neuer Lieferant entwickelt.

Und was hat Deiters am Ende bewogen, mit Ihnen einen Vertrag zu machen?

Monika Zimmermann: unsere Qualität! Der Chef Herbert Geiß, übrigens ein Cousin des fernsehbekannten Rooobert Geiß, sagte heute: „Ich kann gar nicht mehr ohne Euch.“ Das freut uns natürlich sehr. Den Robert Geiß kennen wir noch von unserer alten Firma. Er kam damals mit Latzhose Hüte holen. Roberts Vater gehörte die Firma früher. Diese hat er dann an seinen Bruder übergeben. Und dessen Sohn Herbert junior ist heute Chef dort.

Wie kommen Sie denn heute zu neuen Kunden?

Petra Zimmermann: In erster Linie über Mundpropaganda. Die Kunden kommen zu uns. Wir beliefern nicht den Konsumenten direkt, sondern nur Wiederverkäufer. Unsere Abnehmer sind rund 50 Unternehmen bundesweit. Es wären noch mehr Kunden daran interessiert, sich von uns beliefern zu lassen. Wir schaffen aber kapazitätsmäßig nicht mehr. Derzeit fertigen wir rund 20 000 Karnevalshüte im Jahr und produzieren rund 400 verschiedene Modelle.

Und wie hat sich Ihr Umsatz entwickelt?

Monika Zimmermann: Er ist jedes Jahr gestiegen. In den zurückliegenden drei Jahren hat er sich jeweils verdoppelt.

Petra Zimmermann: Und auch die Kosten! (Sie lacht). Meine Schwester Monika ist expansiv und vertriebsorientiert. Ich bin die Vorsichtige, das Controlling. Wir streiten uns manchmal auch.

Monika Zimmermann: Ich bin der Workaholic und sage immer, es muss weitergehen!  

Monika Zimmermann: Manchmal schimpfe ich: „Petra, wegen Dir habe ich soviel Arbeit!“ Wir sind den ganzen Tag zusammen. Und abends auch, weil wir in einem Haus wohnen. Es müsste eigentlich zwei Eingänge haben. (Sie lachen beide). Wir haben beide einen Riesenspaß an unserer Arbeit. Wir können gestalten und etwas Praktisches machen. Ein Bürojob wäre nichts für uns.

Wir haben Sie sich das Kaufmännische angeeignet? 

Petra Zimmermann: Das kam so mit der Zeit. Monika macht die Kalkulation. Und ich erledige den Einkauf. Die Buchhaltung macht unser Steuerberater.

Das Interview führten Leonie Schneider-Kuttig und Carsten Seim

 

pro Troisdorf-Fact Sheet zum Unternehmen

Gründung: 1. April 2008

Struktur: GbR. Partnerinnen sind Monika (53) und Petra Zimmermann (60).

Zahlen: Mit einem 25 000 Euro-Kredit der Kreissparkasse Köln in die Selbstständigkeit gestartet. Heute 200 Quadratmeter Werkstatt in der Adenauerstraße 26 in Troisdorf-Spich. Aktuell Wunsch nach Expansion auf 350 bis 400 Quadratmeter.

Ausrüstung: Sechs Industrienähmaschinen im Einzelwert bis zu 5000 Euro, drei Heftmaschinen á 2000 Euro. Produktionsvolumen von rund 20 000 Hüten pro Jahr, 400 verschiedene Modelle. Endverkaufspreise bis zu 150 Euro für hochwertige Modelle.

Kunden: bundesweit – beispielsweise Deiters GmbH Kaufhof Köln, Bajazzokarneval – Angela Vois und die Betreiber der Stunksitzung. Insgesamt rund 50 Abnehmer. Carnevalshut Creationen arbeitet nur für Wiederverkäufer, nicht für Endkunden.

Verarbeitet werden Rohmaterialien im Einkaufswert von mehr als 100 000 Euro pro Jahr.

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