Mittwoch, 26. Juni 2019 Interview mit Nicolas Müller, Leiter der REMONDIS-Niederlassung, sowie ERS-Geschäftsführer Michael Dreschmann

Entsorgung in Troisdorf: „Rundum-Sorglos-Paket für Gewerbekunden“

Die Josef-Kitz-Straße in Troisdorf ist eine zentrale Adresse für Gewerbeabfälle. Die ERS EntsorgungsService Rhein-Sieg GmbH, hundertprozentige Tochter der Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH (RSAG), und eine für Bonn, den Rhein-Sieg-Kreis sowie den Kreis Ahrweiler zuständige Niederlassung von REMONDIS kümmern sich hier um Entsorgungsanliegen von Unternehmenskunden. REMONDIS betreibt hier eine vollautomatische Gewerbeabfall-Sortieranlage, die im Rahmen eines Unternehmerfrühstücks besichtigt wird. pro Troisdorf-Vorstandsvorsitzender Christian Seigerschmidt und Carsten Seim vom Redaktionsbüro avaris-konzept sprachen mit Nicolas Müller, Leiter dieser REMONDIS-Niederlassung, sowie ERS-Geschäftsführer Michael Dreschmann über das Geschäft mit dem Gewerbeabfall.

Herr Dreschmann, REMONDIS und ERS sind Nachbarn in der Josef-Kitz-Straße. Beide kümmern Sie sich um die Entsorgung von Gewerbeabfällen. Wie gestaltet sich diese Nachbarschaft?

Dreschmann: Die ERS ist eine hundertprozentige Tochter der RSAG. Wir nutzen den Standort der RSAG in der Josef-Kitz-Straße in Troisdorf. Wir betreiben hier eine Sperrmüll-Sortieranlage und den Umschlag für diverse Abfälle. Wenn es aber um die Sortierung von Fraktionen aus Gewerbeabfallgemischen – wie Kunststoffe und Metalle – geht, wenden wir uns an die REMONDIS nebenan. Dieses Unternehmen verfügt über eine automatische Gewerbeabfall-Sortieranlage.

Müller: Wir verarbeiten in der Anlage Abfälle, die wir mit unserem Containerdienst abholen, sortieren aber auch Abfälle Dritter. Unsere Grundstücke sind in unmittelbarer Nachbarschaft und sogar über eine Feuerwehrzufahrt verbunden. Da bot sich eine Kooperation an.

Und wenn die Abfälle sortiert sind, wer verwertet sie dann weiter?

Müller: Wir sind vernetzt mit Aufbereitern für die einzelnen Fraktionen. Recycelt werden beispielsweise Metalle. Wir trennen FE-Metalle, also eisenhaltige Metalle und Nicht-FE. Zudem sortieren wir beispielsweise Kunststoffe wie PE, PP und PET aus. Diese werden im Anschluss bei einem Aufbereiter zerkleinert, gewaschen und sortenrein als Recyclat dem Stoffkreislauf wieder zugeführt. Die nicht verwertbaren Reste gehen in Müllverbrennungsanlagen oder Ersatzbrennstoffkraftwerken.  

Herr Dreschmann, worin unterscheiden sich Gewerbeabfälle von privatem Müll?

Dreschmann: Im Hausmüll haben wir eine andere Abfallzusammensetzung als im Gewerbeabfall. Hausmüll ist – beispielsweise durch Essensreste – meist feuchter. Dazu kommen anderen Stückigkeiten – Gewerbeabfälle sind meist grobstückiger. Im Privatsektor haben wir es in der Regel mit Umleerbehältern bis 240 Litern zu tun. Im Gewerbereich haben wir Umleerbehälter zwischen 660 Litern bis zu fünf Kubikmetern. Darüber hinaus arbeiten wir mit Containerfahrzeugen und stellen Container von 5,5 bis 40 Kubikmetern zur Verfügung. Um besser auf die Bedürfnisse von Gewerbekunden eingehen zu können, hat sich die RSAG 2006 für die Gründung der Tochtergesellschaft ERS entschieden.

Neben der Betreuung der Gewerbekunden ist das Stoffstrommanagement eine unserer zentralen Aufgaben. Wir kümmern uns dabei um die logistische Frage, an welcher RSAG-Anlage welche Abfälle angeliefert werden und in welche Entsorgungsanlage diese zur weiteren Behandlung transportiert werden muss.

Wie gehen Sie mit Müllbetrügern um, die falsche Angaben über die Zusammensetzung Ihres Abfalls machen?

Dreschmann: Dafür haben wir eine Annahmekontrolle. Das machen unsere Mitarbeiter in der Eingangskontrolle, aber auch unsere Außendienstler vor Ort. Wir prüfen beispielsweise, ob wirklich auch nur Holz geliefert wird, wenn Holz als Abfall angekündigt ist. Wir stellen auch fest: Ist das Holz unbehandelt oder behandelt?

Müller: Behandeltes Holz wäre separat zu entsorgen.

Wo liegt denn Ihr USP (Alleinstellungsmerkmal) im Entsorgungsgeschäft?

Müller: Natürlich gibt es in unserem Geschäft Konkurrenz. Wir als REMONDIS konkurrieren auch mit der ERS, beispielsweise im Container-Geschäft. Allerdings wenden wir uns tendenziell eher an größere Kunden, während die ERS in der Regel kleinere und mittlere Unternehmen bedient.

Dreschmann: Wir haben diesen Schwerpunkt und das spezielle Service-Know-how für kleinere und mittlere Unternehmen auch, weil unsere Muttergesellschaft versiert darin ist, geringere Mengen von Privat zu verarbeiten.

Müller: Wir kooperieren auch mit der ERS – beispielsweise, wenn wir es mit Abfällen zu tun haben, die als Haus- bzw. Restmüll angeliefert oder in Sankt Augustin deponiert werden müssen. Kunden können sich bei uns zweigleisig aufstellen, sodass jeder von uns die eigenen Stärken ausspielen kann. Wir sind auf dem Gelände an der Josef-Kitz-Straße sehr eng vernetzt.

Herr Müller, beschreiben Sie uns bitte Ihre automatische Sortieranlage.

Müller: Sie ist speziell auf Gewerbeabfälle ausgerichtet. 2017 ist die Gewerbeabfallverordnung in Kraft getreten. Diese schreibt jedem Gewerbetreibenden vor, seine Abfälle nach Fraktionen zu trennen – zum Beispiel Holz, Metalle, Papier, Kunststoffe, Glas, Alttextilien oder biogene Abfälle. Nur das, was ein Gewerbetreibender selbst vor Ort nicht trennen kann, soll er als Gemisch einem Entsorger wie uns übergeben. Diese gemischten Abfälle müssen seit Anfang 2019 über eine Sortieranlage verarbeitet werden, die wir in der Josef-Kitz-Straße vorhalten.

Wie arbeitet diese Sortieranlage in Troisdorf?

Müller: Sie hat einen Annahmebereich, wo die Abfälle zwischengelagert werden. Vor der Sortierung werden sie in einem Schredder zerkleinert. Dann folgt eine Siebung. Ganz kleine Teile, die nicht sortierfähig sind, werden sofort als Sortierreste für die Verbrennung herausgesteuert. Nach der Siebung werden Folien abgesaugt. Dann werden Eisenmetalle und Nichteisenmetalle entnommen. Dann durchläuft das Material eine Kunststoffkaskade mit sogenannten Auto-Sort-Geräten. Die Anlage verfügt über Nahinfrarotgeräte. Diese können über das Spektrum die Struktur und Art des jeweiligen Kunststoffs erkennen: PE, PP, PET oder PVC. Das funktioniert aber nur bei farbigen, nicht bei schwarzen Kunststoffen. Die jeweiligen Kunststoffarten werden dann über eine Luftdüsenleiste ausgeschossen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Geschäftes mit Abfällen?

Dreschmann: Das ist sehr konjunkturabhängig.

Spüren Sie beispielsweise die starke Baukonjunktur?

Müller: Hier fallen viele Abfälle an. Die Baufirmen haben entweder bundesweite Rahmenverträge oder beauftragen einen Containerdienst vor Ort.

Dreschmann: Ich möchte in Zusammenhang mit Bauabfällen den Aspekt der Sortenreinheit ansprechen. Wir stellen fest, dass es immer mehr kombinierte Materialien gibt. Das erschwert das Recycling. Das gilt beispielsweise auch für Verbundsysteme in der Dämmung. Diese bestehen heute aus mehreren miteinander verklebten Materialien. Das sind Abfälle von Morgen, für die es aktuell keine nachhaltigen Recyclingmöglichkeiten gibt.

Müller: Das ist in der Tat ein wachsendes Problem. Sortieranlagen können nur zwischen 0 und 1 unterscheiden. Mit Verbundwerkstoffen können sie nicht arbeiten. Das gilt auch für Kunststoffteile, die aus mehreren Kunststoffsorten bestehen. Die Maschine erkennt möglicherweise, dass ein Teil davon PE ist und schießt es aus. Wenn da aber noch ein Stück PVC anhaftet, ist das Material nicht sortenrein und für einen Aufbereiter nicht zu verwenden. Ein anderes anschauliches Beispiel ist ein Joghurtbecher, an dem noch der Alu-Deckel anhaftet.

Die Probleme mit modernen Verbundmaterialien werden in Zukunft noch steigen – zum Beispiel bei Autos, die auch im Zuge der E-Mobilität immer leichter werden sollen. Man erfindet heute immer neue kombinierte Materialien, denkt aber zu wenig darüber nach, was in 20 Jahren ist, wenn diese entsorgt werden müssen. So ist es heute mit der ersten Generation von Windrädern, deren Entsorgung begonnen hat. Für die aus Verbundmaterialien bestehenden riesigen Rotorblätter gibt es keinen nachhaltigen Entsorgungsweg. Ein weiteres Problem in Zusammenhang mit E-Mobilität: Was machen wir eigentlich mit den zu entsorgenden Akkus?

Es stellen sich also neue Entsorgungsherausforderungen. Haben Sie dafür Entwicklungsabteilungen?

Müller: Wir haben einen großen Entsorgungspark in Lünen. Dort arbeiten Ingenieure an neuen Konzepten und entwickeln Pilotanlagen. Gemeinsam mit Daimler-Chrysler haben wir dort einen Energiespeicher mit gebrauchten Auto-Akkus erstellt. Diese im Fahrbetrieb nicht mehr nutzbaren Akkus können miteinander gekoppelt noch für diesen Zweck genutzt werden. Die Zwischenspeicherung von Energie wird in Zeiten wachsender Wind- und Sonnenenergieanteile im Energiemix zunehmen. Hier kann sich die Entsorgungswirtschaft einbringen. Dabei geht es auch darum, Lösungen für die sehr starke staatliche Regelsetzung zu entwickeln. Ein Beispiel: Früher hat man Styropor Brom als Brandhemmer zugesetzt. Heute reiben sich die Leute die Augen, dass ihre vor Jahrzehnten eingebaute Isolierung plötzlich als Sondermüll eingestuft ist.

Sollten Sie sich die Hersteller also stärker mit der Entsorgungswirtschaft abstimmen, wenn sie neue Produkte entwickeln?

Müller: Unser Dachverband ist mit ihnen im Dialog und weist auf Probleme hin, die in Zukunft auftreten können. Die Hersteller haben das Recycling eines Produktes sicher nicht immer im Fokus.

Schwer zu entsorgender Abfall: Können Sie die Annahme auch ablehnen?

Dreschmann: Als Tochter der RSAG haben wir grundsätzlich einen öffentlichen Auftrag und werden nach einer Lösung suchen.

Müller: Auch als privates Unternehmen werden wir uns immer bemühen, eine Lösung zu finden und unsere Kunden nicht im Regen stehen zu lassen. Wir sind für viele Fälle vernetzt mit einer breiten Palette von spezialisierten Entsorgern.

Kümmern Sie sich auch um Elektronikschrott?

Müller: Wir haben an anderen Standorten – nicht in Troisdorf – spezialisierte Anlagen für die Aufbereitung von Elektronikteilen und gewinnen hier Edelmetalle wie Silber und Gold aber auch Metalle der Seltenen Erden zurück. Das ist ein sehr aufwändiger Prozess.

Industrie 4.0 ist ein viel diskutiertes Thema. Wie setzen Sie das in Ihrem Sektor um?

Dreschmann: Wir wollen in den nächsten Jahren möglichst papierarm bzw. papierlos unterwegs sein. Wir versuchen automatische Füllstandsmeldungen in der Planung mit aufzunehmen und dadurch Touren zu optimieren. Auf lange Sicht werden wir uns sicher auch mit autonomen Fahrzeugen auseinandersetzen. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

Müller: Abfall ist ein sehr heterogener Stoff. Der Mensch wird weiter gebraucht werden, auch wenn unsere Sortieranlagen vollautomatisch laufen.

Wer sind die Hauptmitbewerber von REMONDIS?

Müller: Es gibt hier in der Region eine Reihe von Containerdiensten. Teile ihrer Abfallmengen bringen diese aber zu uns oder zur ERS. Wir versuchen in der Regel, den Kunden ein Rundum-Sorglos-Paket inklusive Transport anzubieten.

Mit welchen Jahrestonnagen operieren Sie?

Müller: In unserer Troisdorfer Anlage verarbeiten wir im Jahr rund 65 000 Tonnen Gewerbeabfälle. Zusätzlich haben wir noch rund 15 000 Tonnen Monofraktionen – Papiere, Kunststoffe –, die dort zu Ballen verpresst werden.

Das entspricht 2000 Vierzigtonner-Lastzügen. Was können Sie denn alles schreddern?

Müller: Fast alles bis zu Längen von fünf Metern. Probleme hat unser Schredder mit sehr harten oder zähen Materialien: Für Beton beispielsweise gibt es spezielle Anlagen, deren Schneidmesser anders ausgelegt sind.

Gibt es da Anlagenbediener?

Müller: Nein. Unsere Anlage ist mittlerweile SPS-gesteuert. Der Mensch kann natürlich jederzeit eingreifen.

(Begriffserklärung SPS: Eine speicherprogrammierbare Steuerung (SPS, englisch: Programmable Logic Controller, PLC) ist ein Gerät, das zur Steuerung oder Regelung einer Maschine oder Anlage eingesetzt und auf digitaler Basis programmiert wird.)

Welches Investment haben Sie für die Sortieranlage in Troisdorf getätigt? 

Müller: Die Anlageninvestition bewegt sich im zweistelligen Millionenbereich. Andere Anlagen in unserem Unternehmen sind weit größer.

Wer sind Ihre Kunden?

Müller: Alle Gewerbetreibenden – von der kleinen Tankstelle bis zum Großkunden. In der Regel kommen Kunden von der rechten Rheinseite nach Troisdorf. Die Nähe zählt. Preislich unterscheiden sich ERS und REMONDIS nur wenig. In Hennef oder Bonn können Sie auch mit einem Hänger kommen. In Troisdorf nehmen wir solche Kleinmengen nicht an. Aber dafür stehen hier die RSAG und die ERS in Troisdorf oder Sankt Augustin bereit.

Wie binden Sie Ihre Kunden?

Müller: Durch gute Dienstleistung und Problemlösungen auch für ungewöhnliche Fälle – zum Beispiel, wenn bei einer Entrümpelung im Keller Gebinde auftauchen, deren Inhalt niemand kennt. Wir sind vernetzt mit Entsorgern für alle Fälle und lösen jegliches Abfall-Problem des Kunden. So entstehen langfristige Beziehungen mit ihnen.

Dreschmann: Wichtig für die Kundenbindung sind auch freundliche und kompetente Mitarbeiter und bei Bedarf auch eine gute Beratung vor Ort.

Gibt es ungewöhnliche Dinge, die Ihnen im Gewerbeabfall unterkommen?

Müller: Es kommt vor, dass Waffen auftauchen. In Köln-Merkenich sind Granaten in einer Papiersortieranlage gefunden worden. Ein weiteres Thema sind Skelette, die beispielsweise im Schulunterricht verwendet werden. Wenn wir Teile davon in der Anlage finden, lassen wir das gegebenenfalls forensisch prüfen.

Wie bewerten Sie den Standort Troisdorf?

Dreschmann: Der Standort Troisdorf ist für Unternehmen sehr interessant, weil er logistisch sehr gut angebunden ist. Was uns fehlt, ist Fläche zur weiteren Entwicklung. Wir sind in der Josef-Kitz-Straße sehr gewachsen und haben kürzlich am Ende der Josef-Kitz-Straße einen Wertstoffhof eröffnet. Wir haben dafür schon im Jahr 2011 rund 11 000 Quadratmeter von der benachbarten REMONDIS gekauft. Doch nach dem geplanten Umbau an der Altanlage wird es langsam wieder eng.

Müller: Auch das Grundstück des RSAG-Logistikzentrums gehörte früher der REMONDIS. Wir hätten für unsere Anlage gern mehr Platz. Man braucht mehr Flächen zum Lagern. Es wird schwieriger, recycelbare Rohstoffe aus Abfällen zu exportieren. Sie lagern also länger bei uns.

Noch eine persönliche Frage: Wie sind Sie beide zur Entsorgungswirtschaft gekommen?

Müller: Ich bin Diplomingenieur im Maschinenbau und habe mich auf Umwelttechnik spezialisiert. Ich habe während meines Studiums gedacht, dass dies eine gute Nische ist, in der ich tätig werden kann. Vor 20 Jahren habe in einem Trainee-Programm in der Entsorgungswirtschaft angefangen.

Dreschmann: Ich bin gelernter Banker. Vor über 20 Jahren bin ich in den Vertrieb bei einem Entsorger gewechselt. Ich fand das sehr interessant, weil man darüber sehr viele Branchen und die unterschiedlichsten Prozesse kennenlernt. Ich habe nebenberuflich meinen Betriebswirt gemacht, bin seit 10 Jahren bei der ERS und seit einem Jahr in der Geschäftsführung.

Interview: Christian Seigerschmidt, Carsten Seim 

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