Interview mit Daniel Helm, HELM Design, Ihr Schreinermeister GmbH

Montag, 06. Februar 2017 Interview mit Daniel Helm, HELM Design, Ihr Schreinermeister GmbH

Interview mit Daniel Helm, HELM Design, Ihr Schreinermeister GmbH

„Ich will besonderen Kundennutzen herstellen“

Als Garagenunternehmer ist Daniel Helm im Jahr 2004 gestartet. Heute ist er Chef von Helm Design, einer volldigitalisierten Schreinerei mit aktuell zehn Mitarbeitern auf dem Campus von Camp Spich. Helm beliefert zum einen gewerbliche Kunden vorwiegend aus der Metropolregion Köln-Bonn und anspruchsvolle Privatkunden, für die er maßgeschneiderte Highend-Lösungen produziert. Im Gespräch mit Christian Seigerschmidt, Vorstandsvorsitzender des Unternehmer-Clubs pro Troisdorf, und Carsten Seim, Redaktionsbüro avaris | konzept, spricht Daniel Helm über seine Geschäftsphilosophie und die Entwicklung seines Unternehmens von einem Schreiner mit Vollsortiment zur exklusiven Möbelmanufaktur.

Sie haben sich als Hersteller exklusiver Möbel etabliert. Wann kam es zu dieser Entscheidung, und was hat den Impuls dafür gegeben?

Nach der Jahrtausendwende habe ich noch als angestellter Schreinergeselle bei einem Unternehmen in Troisdorf Villen am Hyde Park in London ausgebaut. Das wollte ich auch in Deutschland machen, und nicht länger Routinearbeiten machen, wie zum Beispiel Fensterrahmen bauen. Ich dachte mir damals aber bereits: Das kann man zum Beispiel unter Einsatz moderner Fertigungstechnik besser und effizienter machen als mein damaliger Arbeitgeber, der noch traditioneller Schreiner war.

Woher haben Sie das Geld für die erforderlichen Investitionen bekommen, ihr erstes eigenes Unternehmen zu gründen?

Ich habe alle Bausparverträge, eine Rentenversicherung – kurz: alles, was ich hatte – gekündigt und mir auszahlen lassen, um eine erste Werkstatteinrichtung für mein neues Unternehmen zu kaufen, das zunächst in einer Garage am Mauspfad untergebracht war. Meine Eltern haben kein Verständnis dafür. Sie fragten: „Wieso gibst Du alles, was Du hast, für ein paar gebrauchte Schrottmaschinen auf?“ Ich habe zumindest im ersten halben Jahr nicht gewusst, wovon ich am übernächsten Tag mein Essen kaufe. Was von diesem von-der-Hand-in-den-Mund-Leben übrigblieb, habe ich mit vollen Händen in neue Maschinen investiert. Ich wollte etwas mit besonderem Nutzen für die Kunden herstellen. In meiner Garage entwickelte ich große Visionen. Diesen Weg wollten nicht alle mitgehen. Mein Freundeskreis hat sich damals sehr selektiert. Ein guter Freund allerdings hat mir damals Geld geliehen. Im April 2005 bereits bin ich ins Camp Spich an die Belgische Allee gekommen, weil die Garage am Mauspfad aus allen Nähten platzte. Parallel dazu habe ich meinen Meisterkurs absolviert. Die Realität sah so aus: Bis 16 Uhr war ich in der Schule, danach habe ich bis 23 oder 24 Uhr meine Möbel gebaut. Am anderen Morgen ging es wieder in die Schule. So lief das zehn Monate lang. Ich wollte Meister-BAföG beantragen, doch ich erhielt es nur stark gekürzt. „Sie hatten doch im Jahr zuvor ein Super-Einkommen“, sagten sie damals. 

Wann hatten Sie das Gefühl, finanziell über den Berg zu sein?

Im Jahr 2008 hatte ich meine Schulden aus den Anfängen bezahlt. Ich bin dann auf die Hannover-Messe gefahren und habe meine erste CNC-Maschine gekauft. Ich expandierte rasch; Irgendwann hatte ich 18 Mitarbeiter. Doch mein Betrieb geriet 2011 ins Minus. Und ich hatte einen Hörsturz. In der Lage fragte ich mich: „Was willst Du eigentlich wirklich?“ Zuvor hatte ich alles gemacht und geliefert – von Fensterrahmen über Möbel bis zum Fußboden. Ein Unternehmensberater half mir in dieser Lage nur wenig weiter: Er sagte mir, dass ich zu viel Personal hätte. Ich habe in dieser Zeit auch mein eigenes Führungsverhalten reflektiert. In dieser frühen Expansionsphase habe ich meinen Mitarbeitern zu früh Verantwortung übertragen, aber nicht kontrolliert, ob das auch so funktioniert wie gedacht. Wenn es nicht funktionierte, habe ich die Verantwortung zunächst nicht bei mir gesucht. Heute weiß ich: Als Chef muss ich den Rahmen dafür schaffen, dass Mitarbeiter einwandfreie Arbeit liefern können!

Wie haben Sie die Krise Ihres Unternehmens gelöst?

Der Unternehmensberater empfahl mir, Produktion outzusourcen. Ich bin dieser Empfehlung nicht gefolgt. Ich habe meinen Betrieb zunächst auf mich, meine Frau und einen Auszubildenden reduziert und neu angefangen. Alle Aufträge, die mir keinen Spaß machten, habe ich abgelehnt und 2011 gesagt: „Wir sind jetzt eine Möbelmanufaktur.“ Und ich wollte auf digitale Maschinen setzen. Das ging mit einigen älteren Kollegen nicht. Ich habe mir junge Leute geholt und die Arbeit mit digitalen Maschinen forciert. Ein großer Auftrag war die Inneneinrichtung des neuen Campus Burg Wissen für die Architekten Schneider-Hillebrandt Köln. Wir arbeiten seitdem eng mit ihnen zusammen.

Nach welchen Kriterien suchen Sie Ihre Aufträge denn aus?

Das Klima mit dem Kunden muss stimmen. Erst vor kurzem habe ich die Anfrage eines Troisdorfer Unternehmens abgelehnt. Es hat einfach nicht gepasst. Ich denke mir dann, dass der Job auch meinen Mitarbeitern Spaß machen muss. Wir leben von einem guten Betriebsklima, und mein Team bewegt sich auf meiner Wellenlänge. Wenn ich mit einem neuen Kunden schon nicht zurechtkomme, wie sollen sie dann mit ihm zurechtkommen? Das kann nicht klappen. 

Welche Anforderungen stellen Sie an Ihre Mitarbeiter?

Jeder, der motiviert ist, kann bei Bedarf bei mir anfangen. Meine Mitarbeiter müssen für die Aufgabe brennen. Ich will in ihren Augen keine Teelichter sehen, sondern Bunsenbrenner! Bei Mitarbeitern muss ich das Gefühl haben, dass ich mit denen auch privat losziehen kann. Zertifikate und Nachweise interessieren mich nicht so sehr. Ich bilde viele meiner Leute ohnehin selbst aus und führe sie an ihre Arbeitsfelder im Betrieb heran. Und ich selbst habe mich weitergebildet. 

Welcher Art war diese Weiterbildung?

Ich habe Seminare in Betriebsführung und Management besucht. Beeindruckt hat mich eine Aussage des Coaches Jürgen Höller. Sinngemäß hat er gesagt: „Wenn Du jetzt eine Vision hast, dann setze sie um und warte nicht drei Jahre damit! Und mach nicht klein, mach groß.“ Ich bin in solchen Seminaren über bis zu 1000 Grad heiße rotglühende Kohlen gelaufen. Wer kann mir denn dann noch was? Jüngst haben meine Frau und ich auf Zypern eine Ausbildung im Neuro-Linguistischen Programmieren, NLP, absolviert. Das hilft mir sehr in der Mitarbeiterführung.

Und wie sind Sie zu Ihrem Kundenkreis gekommen?

Ich habe eine Wohnung in Köln-Wahnheide gekauft und komplett als Showroom ausgebaut. Den Geräteherstellern habe ich meine Vision erklärt, und sie haben mir die Geräte verbilligt überlassen. Ein Markstein war meine Kooperation mit dem Lautsprecher-Hersteller KEF im Jahr 2011. Ich habe deren Lautsprecher in meinen Showroom eingebaut. Sie fahren über die zentrale Smarthome-Steuerung zum Teil aus der Decke. KEF wollte im Gegenzug zur Highend-Messe in Amsterdam einen Exklusivbericht. In der Zeitschrift „Smarthome“ erschien ein siebenseitiger Report. Dieser lag auf der Messe in Amsterdam und auch auf der Kölner Möbelmesse in hoher Auflage aus. Danach überstürzten sich die Kontaktaufnahmen bei mir! WDR, DIE WELT, Kölner Stadt-Anzeiger und andere Medien wollten über meine Manufaktur berichten. Dann waren die Kunden plötzlich da, und ich habe 2012 mit der GmbH nach dem Minus im Jahr 2011 wieder ein erstes kleines Plus gemacht. Ein medialer Meilenstein war auch unsere Teilnahme in der VOX-Sendung „Das perfekte Dinner“ – gedreht in meinem Showroom. Danach kamen noch mehr Interessenten! Die Töchter meiner Frau haben meine Ehefrau zur Shopping Queen angemeldet. Guido Maria Kretschmer hat dann auch noch etwas zu unserer Showroom-Wohnung gesagt. Darüber haben wir weitere Kundenkreise erreicht. Dann rief die Redaktion von „Fünf gegen Jauch“ an. Jedes Jahr bekomme ich seither mehrere Anrufe von Fernsehredaktionen. Über die Sendung „Mieten, kaufen, wohnen“ habe ich meinen Showroom verkauft. Es meldete sich jemand, der Ihn unbedingt kaufen wollte – jenseits der Frage, was er kostet. Seit zwei Jahren wohne ich zur Miete, bin aber schuldenfrei.

Wie gewinnen und halten Sie darüber hinaus Kunden?

Durch gute Kommunikation und dadurch, dass wir immer etwas mehr leisten als der Kunde erwartet. Das spricht sich herum. Wir alle wollen jeden Tag ein bisschen besser werden. Und wenn einer unserer Klienten Verbesserungsvorschläge hat, sind wir dankbar, weil uns das dabei hilft, noch besser zu werden. Nur so können weiter wachsen.

Würden Sie sich selbst als Schreiner 4.0 bezeichnen?

Ja. Die Pläne für unsere Möbel liegen elektronisch im System. Zunächst werden automatisch auf einer liegenden Plattensäge alle erforderlichen Zuschnitte gemacht. Jedes Rohteil erhält ein mit Angaben aus dem System gedrucktes Etikett. Die Mitarbeiter wissen aufgrund des Etiketts, wie sie ein Werkstück aufzulegen haben. Alle Maschinen in der Fertigungskette können auslesen, was in der Folge zu tun ist und erledigen ihre Aufgaben automatisch.

Welches Investitionsvolumen haben Sie in die Hand genommen?

Allein der jüngste Umzug in unsere nun 1000 Quadratmeter große Halle auf dem Camp Spich-Gelände hat rund 100 000 Euro gekostet. Die Maschinen hatten wir zum Teil bereits. Wir mussten noch einmal 100 000 Euro in neue Maschinen investieren. Insgesamt stehen in dieser Halle Werte von gut 0,6 Millionen Euro.

Warum arbeiten Sie ausschließlich mit Highend-Maschinen?

Weil ich mit weniger nicht zufrieden bin. Vor einigen Jahren war ich auf der Messe unterwegs und erst in der Halle mit Handwerksbedarf unterwegs. Da standen auch Maschinen bis in Preisregionen von 60 000 Euro. Das ist für einen normalen Handwerksbetrieb auch schon Highend. Aber immer fehlte irgendeine Funktionalität, die mir wichtig war. Ich bin dann in die Halle mit den Industriemaschinen gegangen. Die Preise dort überschritten mein Budget erheblich. Ich habe erst einmal nichts gekauft. Doch die Außendienstler haben nicht lockergelassen. Zum einen sank in unseren Gesprächen der Preis ein wenig. Und zum anderen hatte ich nach vielen Gesprächen einen Vertreter gefunden, der gleich auch noch die Finanzierung mit erledigt hat. Das war meine Forderung. Neun haben abgelehnt, der zehnte hat zugestimmt.

Wie haben Sie das geschafft?

Ich habe damals nicht nachgegeben, bis diese Lösung zustande gekommen war. Und ich habe mich dabei an Walt Disney orientiert, der mehr als 100 Anläufe unternehmen musste, bis der erste Banker gesagt hat: „Okay, wir investieren in Ihren Plan.“ Im Nachhinein zählen die „Neins“ nicht – nur das eine „Ja“, das zum Erfolg führt! Man muss immer einmal mehr aufstehen als man hingefallen ist. Ich habe natürlich auch schon einmal die Richtung gewechselt, wenn irgendetwas gar nicht funktioniert hat. Aber ich gebe niemals auf! Ich setze mir konkrete Ziele, die ich zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht haben will und arbeite dafür.

Wir sehen Sie hier nicht im Blaumann. Arbeiten Sie noch operativ?

Nein, zu Beginn des Jahres 2017 habe ich mich komplett aus dem Operativen herausgezogen und optimiere stattdessen die Abläufe. Ich konzentriere mich auf darüber hinaus auf den Verkauf und Vertrieb. Damit erziele ich einen größeren Gewinn, als wenn ich selbst im Hamsterrad stecke. Ich entwerfe, berate und verkaufe. Ich schwebe wie ein Vogel über dem Unternehmen und greife ein, wenn ich merke, dass Abläufe gestört sind. Ich habe eine Produktionsleiterin, die sich um die Werkstatt kümmert. Sie ist ehemalige Lehrerin und war mit 29 Jahren zu mir gekommen, um sich zur Schreinerin ausbilden zu lassen. Sie hatte keine Lust mehr, in ihrem früheren Beruf zu arbeiten. Ich habe sie zunächst zu einem Praktikum eingeladen, ihr nach zwei Tagen aber bereits einen Lehrvertrag vorgelegt. Nun ist sie meine operative Führungskraft und am Gewinn meines Unternehmens beteiligt. Da wir weiter wachsen, werde ich weitere Führungskräfte brauchen, die ich bei Erfolg ebenfalls am Gewinn beteiligen werde. Darüber hinaus optimiere und vereinheitliche ich unsere Prozesse. Zurzeit arbeite ich deshalb an einem Mitarbeiterhandbuch.

Was wird es enthalten?

Eigentlich alles, was betriebliche Abläufe und Mitarbeiterverhalten angeht. Wenn ein Mitarbeiter morgens in die Halle kommt, und niemand sonst ist da, so kann er dem Handbuch entnehmen, welche Maschine er als erstes anstellt. Alle Verfahrensweisen mit der Arbeit in unserem Unternehmen werden sich darin finden – von der Arbeit mit dem Navigationssystem unserer Kundenfahrzeuge bis zu Verfahrensanweisungen für unseren Möbelbau oder den Umgang mit unseren Kunden. Das ist meine Arbeit in den kommenden Wochen. Es geht um Wissensmanagement. Regelmäßig werden wir künftig Leistungsstandabfragen durchführen, in denen Mitarbeiter ihr Prozesswissen aus diesem Handbuch nachweisen. Wir werden sie nach Fertigstellung des Handbuches in einer Schulung über die Inhalte informieren. Alle vier Wochen fragen wir auch die Stimmung der Teammitglieder ab. Neben Faktenwissen ist uns auch ihre Zufriedenheit sehr wichtig.

Es geht Ihnen um Corporate Identity? Ihr Corporate Design ist ja beispielsweise an den Mitarbeiter-Shirts bereits erkennbar. Und hier definieren Sie das Corporate Bevaviour?

Genau. In der Systemgastronomie kennen wir diese Handbücher bereits. Auch ich strebe damit einheitliche Prozesse und einen einheitlichen Auftritt an.

Welche mittelfristigen Ziele haben Sie?

Ich möchte meinen Umsatz in den kommenden fünf Jahren vervierfachen. Im vergangenen Jahr haben wir unseren Umsatz um 25 Prozent erhöhen können, obwohl wir durch unseren Umzug sechs Wochen Produktionsausfall hatten. Aktuell habe ich zehn Mitarbeiter. Am Standort können bis zu 20 arbeiten.

Wie verhandeln Sie denn die Preise? Umsatz allein reicht ja nicht, wenn die Marge nicht stimmt ...

Dass alle nur den Preis drücken wollen, ist ein Glaubenssatz. Kunden, die ich gewinne, sind dankbar dafür, dass es jemanden gibt, der das realisiert, was sie brauchen. Mir geht es um den Kundennutzen und die Frage, wie ich das Leben des Kunden besser machen kann. Das merken meine Abnehmer. Anfangs hatte ich das Preisverhandlungsproblem im Ladenbau. Ich habe sie gefragt, ob sie ein Produkt haben möchten, mit dem sie später keine Reklamationen haben werden und das nicht nach fünf Jahren bereits auseinanderfällt. Und ob sie einen Lieferanten haben wollen, der mitdenkt und Einrichtungslösungen realisiert, in denen sich ihre Kunden wohlfühlen. Meine Abnehmer goutieren dieses Prinzip.

Interview: Christian Seigerschmidt, Carsten Seim

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