Freitag, 05. Dezember 2014 Interview mit Bertin Blömer, Geschäftsführer des St. Johannes-Krankenhauses – „Ungewöhnlich gute Entfaltungsmöglichkeiten“

Seit 10 Jahren ist Bertin Blömer Geschäftsführer des St. Johannes-Krankenhauses in Sieglar. Im pro Troisdorf-Interview mit Carsten Seim spricht er über die Rolle des Krankenhauses für die Region sowie die besondere unternehmensstrategische Ausrichtung, die medizinischen Kompetenzen und Spezialisierungen seines Hauses.

Welche Merkmale zeichnen das St. Johannes-Hospital besonders aus, Herr Blömer?

Wir sind als Krankenhaus der Grundversorgung Anlaufstelle für die Bevölkerung in Sieglar, Friedrich-Wilhelms-Hütte, Spich, Eschmar, Mondorf und weitere Teile Niederkassels. Viele unserer 430 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen aus Sieglar, Troisdorf und Nachbarorten – genauer: 147 sind aus Troisdorf und weitere 149 aus den Nachbarkommunen Niederkassel, Siegburg, Bonn und Köln. Fast 60 Prozent der 11.000 Menschen, die wir im Jahr betreuen, kommen aus Troisdorf und Niederkassel. Wir legen großen Wert auf eine besonders persönliche Betreuung. Die enge Beziehung zur Region und den Menschen hier hat sicher auch etwas damit zu tun, dass unser Haus aus der Kirchengemeinde St. Johannes Sieglar erwachsen ist.

Heute ist das St. Johannes Krankenhaus eine Klinik im Verbund der Gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe, GFO ...

... Die Kirchengemeinde hat irgendwann erkannt, dass sie einen größeren Träger benötigt – sie hat mit der GFO einen Träger mit ebenfalls kirchlichem Hintergrund gewählt. Über eine Tochtergesellschaft ist die Kirchengemeinde St. Johannes allerdings nach wie vor an diesem Krankenhaus beteiligt. Und über den Aufsichtsrat ist die Kirchengemeinde auch nach wie vor in unsere aktuelle Geschäftspolitik eingebunden. Ihr haben wir auch unser großzügig dimensioniertes Grundstück zu verdanken, das uns außergewöhnlich gute räumliche Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Die Kirchengemeinde hat uns 45.000 Quadratmeter in Erbpacht überlassen.

Welche Rolle spielt Ihre Einbindung in die GFO?

Die GFO ist ein kirchlicher Träger. Von ihr stammt das Leitmotiv „Ja zur Menschenwürde.“ Ethik und Seelsorge – und zwar unabhängig von der Weltanschauung und der Konfession der Menschen, die sich unserer Obhut anvertrauen, sind wichtiger Teil unseres Handelns für die Patienten.

Hat Ihre Beziehung zur GFO auch unternehmerisch Konsequenzen?

Die GFO ist ein gemeinnütziges Unternehmen. Sie strebt nicht nach Gewinnmaximierung, wie es zum Beispiel Kapitalgesellschaften tun. Überschüsse, die wir im St. Johannes-Krankenhaus erwirtschaften, fließen als Personal- und Sachinvestitionen hierhin zurück. Das Konzept der GFO ist langfristig ausgerichtet. Es geht ihr darum, die Substanz ihrer Einrichtungen zu erhalten und weiter zu verbessern. Darüber hinaus erfüllt sie als Arbeitgeberin eine gerade für unsere Region wichtige Funktion: Insgesamt beschäftigt die GFO in Troisdorf rund 1500 Mitarbeiter/-innen – sie ist damit mit Abstand größter Arbeitgeber in der Stadt. Über Sieglar hinaus arbeiten weitere 840 Menschen im Troisdorfer St. Josef-Hospital, rund 150 im GFO-Medical-Center Spich – hier SIND Verwaltung, GFO-Krankenhaus-Apotheke und Zentralsterilisation beheimatet – sowie 80 im Seniorenzentrum St. Franziskus und im Kindergarten Sonnenblume.

Welche Kennzahlen beschreiben Ihr Krankenhaus als Wirtschaftsfaktor für Troisdorf?

Im Jahr 2013 erwirtschafteten wir 30 Millionen Euro Jahresumsatz. Wir geben pro Jahr rund 6,31 Millionen Euro für medizinischen Sachbedarf, Wirtschaftsbedarf, Energie, Verwaltungsbedarf, Instandhaltung und Wartung aus. Rund die Hälfte davon, 3,17 Millionen Euro, bleibt in Troisdorf. Darüber hinaus gibt es weitere belebende Effekte: Da viele unserer Mitarbeiter auch hier wohnen, profitieren auch Dienstleister und der Einzelhandel.

Sie haben eben bereits erwähnt, dass Ihr Haus die Grundversorgung in der Region abdeckt. Gibt es darüber hinaus Schwerpunkte, die Sie erwähnen möchten?

Wir haben verschiedene Schwerpunkte. Einer der wichtigsten ist die 1996 etablierte Schlaganfall-Station. Wir diagnostizieren pro Jahr 800 mutmaßliche Fälle und gehen von einer weiteren Steigerung aus. Sieglar verfügt hier über eine hohe Diagnose- und Behandlungskompetenz. Dazu passend haben wir eine sehr kompetente innere Medizin mit einer Endoskopie auf dem modernsten Stand. Wir haben im vergangenen Jahr hier allein eine viertel Million Euro investiert. Zeitgleich haben wir eine halbe Million Euro in die Medizintechnik investiert. Ein weiteres Feld, auf dem wir stark sind, ist die Geburtshilfe.

Warum?

Schon die Fallzahl ist für ein Haus unserer Größe hoch: Unsere Geburtshilfliche Abteilung betreut mehr als 1000 Geburten im Jahr. Was uns hier besonders wichtig ist: 85 Prozent sind natürliche Entbindungen. Wir betreuen auch Beckenendlagen – also besonders schwierige Geburten, bei denen das Baby mit den Beinen zuerst auf die Welt kommt. Dafür braucht man viel Erfahrung und Können.

Im Standortwettbewerb lassen sich Krankenhäuser als „Zentren“ für bestimmte medizinische Bereiche zertifizieren. Welche Planungen haben Sie in Sieglar?

Ein wichtiger Bereich, dem wir uns intensiv widmen, ist die Adipositas-Chirurgie mit flankierender psychosozialer Betreuung. Unsere Operateure helfen betroffenen Menschen mit Magenverkleinerungen. Hier haben wir uns eine hohe Kompetenz erarbeitet und wollen uns im kommenden Jahr als Adipositas-Zentrum zertifizieren lassen. Dafür müssen wir viele Voraussetzungen erfüllen. Bereits jetzt haben wir eine Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, die diese Patienten auch psychisch betreuen und Gutachten schreiben kann. Wir verfügen auch über eine Ernährungsberaterin. Schlussendlich müssen auch spezielle OP-Tische und Betten vorhanden sein, die das Gewicht dieser Patienten tragen können. Über all das verfügen wir bereits. Auf hohem Niveau arbeiten wir auch in anderen Sektoren der Chirurgie. Zwei unserer Operateure haben die höchste Qualifikationsstufe der „speziellen Viszeralchirurgie“.

Die GFO betreibt in Bonn und Troisdorf insgesamt fünf Krankenhäuser. Wie ist die Zusammenarbeit zu beschreiben? Konkurrieren Sie nicht um Patienten?

Die Zusammenarbeit insbesondere mit dem St. Josef-Hospital Troisdorf ist in den letzten Jahren immer enger geworden. Unsere Pflegedirektorin Maria Misz ist für beide Häuser zuständig. Medizinisch konzentrieren sich beide Kliniken auf ihre Stärken. Von Sieglar aus schicken wir Patienten ins Darmzentrum des St. Josef-Hospitals, weil wir um die Spezialisierung der Teams dort wissen. Umgekehrt kennt und schätzt man dort die neurologische Expertise in Sieglar, sodass wir zum Beispiel Schlaganfall-Patienten aus Troisdorf bekommen. Vernetzt arbeiten wir auch mit dem St. Marien-Hospital auf dem Venusberg und dem St. Josef-Hospital in Beuel. Bei besonders schwierigen Krankheitsbildern stimmen sich die Mediziner auch hausübergreifend ab, um den Patienten die bestmögliche Behandlung angedeihen zu lassen. Eine wichtige Hilfe dabei ist die Tele-Radiologie. Alle Bilder in den vorgenannten Häusern werden in einem zentralen Server gespeichert. Sie können in Echtzeit ortsunabhängig abgerufen und besprochen werden. Schlussendlich möchte ich die geriatrische Expertise der Cura in Bad Honnef erwähnen. Die Behandlungs alterstypischer Krankheitsbilder wird aufgrund des demografischen Wandels noch wichtiger werden.

Was ist aus Ihrer Sicht für Zukunft des St. Johannes-Krankenhauses noch wichtig?

Unser schon vorhandener Schwerpunkt in der Neurologie wird weiter ausgebaut. Die Fallzahl in der Schlaganfall-Station wird weiter steigen. Zum neurologischen Schwerpunkt gehört auch die Behandlung von Epilepsie, Parkinson, Mutipler Skerose und Demenz. Damit beschäftigt sich auch unser Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) für Neurologie und Chirurgie vor Ort. Der Vorteil für die Patienten: Sie erhalten dadurch Vor- und Nachsorge aus einer Hand und profitieren von einem engen Austausch mit den Verantwortlichen auf Station. Wir wollen stationäre Aufenthalte im Interesse der Menschen nach Möglichkeit vermeiden. Über das MVZ ist eine ambulante Betreuung möglich – und wenn zwischenzeitlich eine stationäre Behandlung erforderlich wird, ist der Übergang nahtlos. Die personellen Kontakte zwischen MVZ und Station sind eng.

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