Mittwoch, 26. September 2018 Interview zum Unternehmerfrühstück mit Wolfgang Schmitz-Mertens (Schmitz-Mertens & Co.KG)

"Ich bin als Unternehmer ins kalte Wasser geworfen worden."

Wolfgang Schmitz-Mertens trat 1997 in die Geschäftsführung der Schmitz-Mertens & Co.KG ein und führt das Unternehmen seit 2002 allein. Christian Seigerschmidt, Vorstandsvorsitzender des Unternehmer-Clubs pro Troisdorf, und Carsten Seim, Redaktionsbüro avaris-konzept, sprachen mit ihm darüber, wie er sich in der Konkurrenz zum „Oligopol“ der Großröster am Markt behauptet. Themen waren auch die Traditionen, auf die der in der fünften Generation aktive Familienunternehmer zurückblickt, und wie er sich für die Zukunft aufstellt. Das Gespräch fand statt aus Anlass eines Unternehmer-Frühstücks am 26. September. 

Seit wie vielen Generationen sind Sie nun Kaffeefabrikant, Herr Schmitz-Mertens. 

Wolfgang Schmitz-Mertens: Seit fünf Generationen. 

In Ihrem Büro hängt das Büro Ihres Großvaters, sie arbeiten an seinem historischen Schreibtisch.

Schmitz-Mertens: Richtig. Er ist noch als Heinrich Schmitz geboren. Angefangen hat es mit Wilhelm Mertens. Er war Bäcker und Kolonialwarenhändler in Spich. Er hat irgendwann begonnen, Rohkaffee zu verkaufen. Dieser kam aus Übersee und passte ins Sortiment des Kolonialwarenladens. Den Rohkaffee haben sich die Leute damals zuhause auf dem Herd geröstet. Das machte man in einem Gerät aus Gusseisen oder in der Pfanne. Irgendwann bestellte unser Unternehmensgründer einen kleinen Röster, der für fünf Kilogramm Kaffee geeignet war, für seinen Laden. Kaffee war ein Luxusprodukt, das man sonntags genoss. Sonst gab es Muckefuck. Deshalb reichten solche kleinen Mengen, um die Kundschaft zu bedienen.   

Inzwischen ist Kaffee anderer Hersteller vielfach ein Discount-Artikel ...

Schmitz-Mertens: Dieser Trend mit Pfundpreisen von umgerechnet 3,90 Euro – damals noch das Äquivalent in Mark – setzte in den 70er- und 80er-Jahren ein. Was vielen nicht bewusst ist: In Deutschland gibt es eine Kaffeesteuer von 2,19 Euro pro Kilogramm. Das ist übrigens ein Grund dafür, warum Kaffee zum Beispiel in Luxemburg, Holland oder Italien noch billiger sein kann als hier. Würde sich der deutsche Fiskus hier nicht bedienen, wäre Kaffee bei uns noch billiger als in allen anderen EU Ländern. 

Sie sind im höherpreisigen Segment unterwegs. Wie behaupten Sie sich gegen die Billigkonkurrenz?

Als Jacobs sowie Tchibo/Eduscho den Preiskampf in den 70er-/80er-Jahren eröffnet haben, sind viele kleinere Röstereien verschwunden, weil sie nicht mithalten konnten. Heute gibt es noch Aldi, Melitta, Darboven und Dallmayr als Großröster – wir haben damit ein Oligopol am Kaffeemarkt. Dann folgt eine große Lücke, bis wir als Mittelständler mit einer Jahresproduktion von 250 Tonnen Kaffee folgen. Am Ende gibt es noch eine Vielzahl ganz kleiner Anbieter, die in ihren kleinen Läden Kaffee rösten. 

Gab es jenseits des Preises noch andere Gründe für das Sterben mittelständischer Röster?

Deren Kundschaft waren vielfach Tante-Emma-Läden. Mit deren Sterben kam auch die Kundschaft abhanden. In den Supermärkten waren nur noch die Großen gelistet. Schmitz-Mertens hat sich dann auf die Gastronomie konzentriert. Gut für uns in dieser Zeit: In den 70er-Jahren kam ein anderes Freizeitverhalten auf. Die Leute gingen ins Restaurant. Und sie wollten hier nicht ihren gewohnten Kaffee aus dem Supermarkt trinken, sondern etwas Besseres. Wir haben der Gastronomie erfolgreich ein Gesamtkonzept aus Kaffeemaschine und fertig portioniertem Kaffee angeboten. Dieses Rundum-Service-Angebot hat uns zum B2B-Anbieter für Cafés, Hotels und Großküchen gemacht. Zum Außer-Haus-Bereich zählen auch Tankstellen, Friseursalons, Büros und Verwaltungen. Dieser Markt hat einen höheren Anspruch an Kaffee und eine höhere Preistoleranz, weil die Marge am zubereiteten Kaffee in der Gastronomie ohnehin hoch ist. Pro Tasse hat man auch bei einem hochwertigen Kaffee einen Wareneinsatz von vielleicht 15 Cent, kann diese Tasse aber mit 2,80 Euro verkaufen. Das erreicht man sonst nirgends. Wir machen es dann ähnlich wie Telekommunikationsgesellschaften, die subventionierte Handys anbieten: Wir bieten den Kaffee UND die Hardware, unsere Maschinen, zu einer günstigen Rate. Im Gegenzug nehmen die Anwender unseren Kaffee. 

In welchem Bereich operieren Sie?

Im westdeutschen Raum: Köln-Bonn-Düsseldorf-Ruhrgebiet-Sauerland. Im Süden dehnen wir uns bis nach Rheinland-Pfalz und den Odenwald aus. Wir arbeiten in einem Radius von rund 180 Kilometer rund um Troisdorf. Kaffeeverkauf hat einen gewissen Beratungsbedarf. Kunden können sich Maschinen aussuchen oder auch Kaffeesorten verkosten. Wir sprechen mit ihnen auch über die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter. Können diese einen Siebträger bedienen oder sollten sie – zum Beispiel, wenn es Aushilfen sind, eher mit einem Vollautomaten arbeiten? Zusätzlich haben wir Paketkunden – zum Beispiel in Bayern, Baden-Württemberg oder Berlin. Im Dezember haben wir einen Webshop online gestellt, beschreiten also auch hier neue Vertriebswege. 

Ihr Kaffee ist rund doppelt so teuer wie Discount-Produkte. Wie kommt es zu dieser Preisdifferenz – und was rechtfertigt den höheren Preis Ihres Kaffees?

Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Verarbeitung. Großröster rösten meistens bei 375 Grad, dafür aber nur 90 Sekunden bis zweieinhalb Minuten. Innen ist die Bohne dann noch hell, außen ist sie dunkel. Hoher Durchsatz steht im Vordergrund. Der Geschmack ist dann sehr röstig. Die feinen Aromen aus der Kaffeebohne entfalten sich vollständig aber erst nach neun bis zwölf Minuten bei nur rund 200 Grad. Je nachdem, wie lange und bei welcher Temperatur ich röste, erhalte ich jedes Mal ein anderes Geschmacksprofil. Möchte ich einen eher malzigen Kaffee haben, oder einen mit etwas mehr Säure? Möchte ich eine Kakao-Note? Diese Varianten kann ich mit einer Kurzzeitröstung nicht erreichen. Ein weiterer Unterschied: Ich kann Rohkaffee in einer Preisspanne zwischen 1,50 und 30 Euro pro Kilogramm kaufen. Wir verwenden ausschließlich hochwertige Rohstoffe.

Kunden kommen zu unserem hochqualitativen Kaffee beispielsweise, wenn sie sich einen Vollautomaten kaufen. Oft bekommen sie dazu einen dunkel gerösteten italienischen Kaffee als Probe. Zuvor haben sie Filter-Kaffee getrunken. Der Unterschied ist ihnen zu groß, und sie suchen eine hochwertige Alternative. 

Wie sieht es mit gesundheitsschädlichen Substanzen aus, die zum Beispiel auch beim Braten von Pommes Frites entstehen können?

Da haben wir mit unserer Langzeitröstung kein Problem. Zum Beispiel Acryl-Amid wird aufgrund der langen Röstdauer wieder weggeröstet. Wir sind auch bei weiteren Substanzen weit unter den Grenzwerten. Zugute kommt uns, dass der Bedarf an hochwertigem Kaffee wächst. Darauf stellen sich inzwischen auch größere Hersteller ein. Auch Supermärkte bieten inzwischen wieder Kaffees bis in Preisregionen jenseits der 20 Euro für ein Kilogramm an. REWE, HIT oder Edeka fragen unseren Kaffee nach – und zwar zum einen, weil Produkte aus der Region wieder gefragt sind. Und zum anderen, weil sie sich von Discountern wie Aldi oder Lidl unterscheiden wollen.

Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie?

Rund 15 – drei in der Rösterei, drei in der Packerei, drei für Büro und Verwaltung, die übrigen im Außendienst. 

Wollten Sie immer Kaffeefabrikant werden?

Ich wollte ursprünglich ins Musikmanagement gehen, das hätte mir Spaß gemacht. Meine Diplomarbeit im BWL-Studium in Köln habe ich über Kultursponsoring geschrieben. Parallel habe ich Cello im Bonner Jugendsinfonie Orchester gespielt. Ich habe mich auch bei Sony Music in Frankfurt beworben. Parallel hatte ich auch bei anderen Kaffeeröstereien sondiert und wollte den Zufall entscheiden lassen. Anderthalb Jahre habe ich bei Dallmayr Erfahrungen im Einkauf, der Produktion und im Vertrieb gesammelt. Dann bin ich im Marketing bei einem Textildiscounter gewesen. 

Doch im Februar 1997 bin ich mit damals 29 Jahren ins Familienunternehmen gewechselt. Mein Vater war an Krebs erkrankt. Ich habe sehr schnell unternehmerische Verantwortung übernehmen müssen. Denn im Juli des gleichen Jahres ist mein Vater verstorben. Mein Vater hatte sich im Unternehmen um den Vertrieb gekümmert. Mein Onkel war für die Produktion zuständig. Ich bin als Unternehmer ins kalte Wasser geworfen worden.

Was wäre denn, wenn Sie nicht gewollt hätten?

Dann wäre das Unternehmen verkauft worden. Man wird ständig angeschrieben von Vermittlern, die unsere Firma vermarkten wollen. Niemand hat Druck auf mich ausgeübt, dass ich die Führung übernehmen soll. Meine Geschwister hatten sich bereits in andere Bereiche hinein orientiert. Ich habe mich freiwillig dafür entschieden, in die Familientradition einzusteigen. Ein Cousin von mir hatte sich zuvor bereits interessiert. Aber da waren die beiden alten Herren mit Anfang 60 noch zu jung; sie hatten außer ihrem Betrieb ja keine Hobbys. Ich bin mit meinem Onkel sehr gut ausgekommen. Er war damals 74 Jahre alt und nach dem Tod meines Vaters froh, dass er mich dabeihatte. 

Wie verteilt sich Ihr Kundenportfolio heute?

Als ich ins Unternehmen kam, haben wir hauptsächlich für die Gastronomie gearbeitet. Heute haben wir unser Portfolio auch auf Industriekunden ausgeweitet. Zudem bedienen wir wie gesagt zunehmend das hochwertige Segment im Einzelhandel. Von den 250 Tonnen Kaffee, die wir im Jahr rösten, gehen 150 Tonnen in die Gastronomie und 100 Tonnen in andere Bereiche. Wir stellen unter anderem spezielle Röstkaffees für das Kapselsystem K-fee von Krüger her. Eine weitere Marke, die wir bedienen, ist Löwen-Kaffee – die Hausmarke des Handelshofes in Köln. Die haben bis 2002 noch in Köln geröstet und suchten einen Kooperationspartner. Ich habe den Röstmeister von Löwen-Kaffee übernommen. Er hat meinen Onkel in der Produktion abgelöst und ist bis heute bei uns. Noch immer produzieren wir für den Handelshof. 

Woher bekommen sie Ihren Rohkaffee?

Aus vielen Regionen rund um den Globus. Der Rohkaffee kommt aus Costa Rica, Kolumbien, Brasilien, Guatemala, Indien, Äthiopien und anderen Ländern. Wir mischen die unterschiedlichen Sorten, um einen bestimmten Geschmack zu erreichen. Zunehmend liegen auch sortenreine Kaffees im Trend. 

Wie hat sich die Technik im Lauf der Jahrzehnte verändert?

Die Automatisierung erlaubt es uns, mit weniger Arbeitskräften mehr zu produzieren. Den ersten Sprung hat mein Vater in den 80er-Jahren bei der Umstellung auf PCs im Büro erreicht. In der Produktion hat man früher Viertelpfund-Päckchen händisch verpackt. Inzwischen werden größere Einheiten automatisch verpackt. Das hat die Anzahl der nötigen Stellen reduziert. Früher wurden schlechte Bohnen händisch herausgepickt. Das haben später Maschinen übernommen. Heute kaufen wir Rohkaffees, die so hochwertig sind, dass schlechte Bohnen gar nicht mehr vorkommen. Der Vorteil: Eine Handverlesung ist nicht mehr notwendig, und der Kaffee kommt nicht mehr mit Sauerstoff in Berührung, bleibt also länger frisch. Das wird immer noch vom Menschen überwacht. 

Seit 2010 haben wir Anlagen mit SPS-Steuerung. Die mischen sich die Rohkaffees selber nach verschiedenen Rezepten und stellen auch automatisch die Temperatur ein. Das Röstverfahren hat sich aber grundsätzlich nicht geändert. 

Und wie haben die Mitarbeiter all diese Veränderungen aufgenommen?

Die Mitarbeiter sind in dieses neue Umfeld hineingewachsen. Unser Altersdurchschnitt liegt bei rund 45 Jahren. Lange Betriebszugehörigkeiten sind bei uns üblich, die Fluktuation ist gering. Auch Ruheständler kommen immer wieder vorbei, weil sie sich unserem Familienunternehmen verbunden fühlen.

Gab es rückblickend eine Zeit, die schwierig für Sie war?

Mein Start war schwierig. Ich glaube, die Zeit meiner Vorgänger – mein Vater Werner Schmitz-Mertens und mein Onkel Hans – war schwieriger. Sie hatten sich mit dem Preisverfall am Markt auseinanderzusetzen. Ich trat in einer Zeit an, als Kaffee mit Namen wie Starbucks wieder ein hochwertigeres Image bekam. Das gab uns Rückenwind.

Wie kam es zum Doppelnamen Schmitz-Mertens? 

Gründer unseres Unternehmens war Wilhelm Mertens. Er eröffnete 1863 in Spich einen Kolonialwarenladen. Seine ältere Tochter Katharina Mertens heiratete seinen Lehrling namens Johann Schmitz. Die beiden haben die Rösterei großgemacht. Johann Schmitz und mein Großvater Heinrich Schmitz-Mertens haben 1914 die industrielle Rösterei in ihrer heutigen baulichen Form errichtet. Eine Tochter hat den Kolonialwarenhandel in Spich übernommen. Heinrich Schmitz-Mertens hat die Villa Schmitz-Mertens gebaut. Meine Oma leitete das Unternehmen nach dem Krieg, weil mein Vater in Belgien in Gefangenschaft war und mein Onkel in Russland. Er ist zu Fuß aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt. Der Krieg hat beide stark geprägt. Mein Vater war mit 16 zur Wehrmacht eingezogen worden, mein Onkel mit 18. 

Sie arbeiten in einem denkmalgeschützten Gebäude. Wäre es nicht einfacher, eine neue Halle auf freiem Feld zu bauen?

Sicher! Aber das wäre nicht dasselbe. Unser Gebäude stammt von 1914. Es war ursprünglich für die Produktion von Getreidekaffee konzipiert. Deshalb haben wir hier auch Betonsilos für Getreide, die wir heute nicht nutzen können, im Gebäude. Doch ich bin ein Mensch, der bewusst in Traditionen lebt. Nicht umsonst arbeite ich am historischen Schreibtisch meines Großvaters. 

Und sie bewahren darin noch den Zerstörungsbefehl des Oberlarer Ortsgruppenleiters auf. Wie ist er verhindert worden?

Unser Werk sollte nicht dem Feind in die Hand fallen. Mein Großvater Heinrich hat den Waggon mit Sprengstoff mit dem Bemerken, dass er an der falschen Adresse sei, wieder weggeschickt. Dank seines Mutes sitze ich heute in denkmalgeschützten Mauern – mit Nachteilen, wie bei den Silos beschrieben, aber auch mit Vorteilen, weil eine solche alte Fabrik sehr viel besser zu unseren hochwertigen Produkten passt als eine moderne Halle. Das Gebäude verkörpert unsere Tradition. 

Das Leitmotiv des Unternehmer-Clubs lautet „Vernetzt mehr erreichen“. Wie interpretieren Sie dieses Motiv für sich?

Das erste Netzwerk in unserer Stadt war für mich der Unternehmer-Club pro Troisdorf. Als ich eintrat, hatte dieser Club rund 30 bis 40 Mitglieder. Klaus Kuttig hatte mich angesprochen und auf die Geschichte des Clubs rund um Wolfgang Demer aufmerksam gemacht. Anfangs lief es im Club noch etwas schleppend. Wir haben damals einige gemeinsame Ausflüge gemacht. Man kam in andere Kreise hinein und gewann neue Kontakte. Ein Resultat: Anfangs waren wir stark im Odenwald und im Sauerland mit unseren Produkten vertreten, weshalb wir viele Fahrzeuge und einen Außendienst hatten. Inzwischen ist die Menge sehr viel konzentrierter im Raum Köln-Bonn-Troisdorf – zum Beispiel unsere Kaffeevermarktung bei Kirschner in Troisdorf. Das ist ein großer Name in der Region. Man kann die konkreten Effekte dieser Vernetzung nicht messen, aber für mich haben sie einen sehr hohen Wert. 

Interview: Christian Seigerschmidt, Carsten Seim

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