Mittwoch, 10. Mai 2023 pro Troisdorf-Interview mit Annemarie Nagel-Meier, Heike Brandt Reiner Stedtnitz vom Jugendbüro der Stadt Troisdorf

Junge Menschen und Arbeitgeber: Das Jugendbüro der Stadt Troisdorf sucht den passenden „Match“

Vor 25 Jahren hat die Stadt Troisdorf das Jugendbüro Ausbildung und Beruf gegründet. Diplom-Sozialpädagogin Annemarie Nagel-Meier sowie die Diplom-Sozialarbeiterin Heike Brandt und Diplom-Sozialarbeiter Reiner Stedtnitz bieten dort ein umfassendes Beratungsspektrum für junge Menschen. Es geht darum, ihnen den Übergang in Ausbildung und Beruf zu ermöglichen. Das Jugendbüro ist auch eine interessante Option für Unternehmen. Denn über die Papierform hinaus können die erfahrenen Mitarbeitenden des Jugendbüros ihnen aus persönlicher Kenntnis der beratenen jungen Menschen heraus Bewerber empfehlen, die wirklich ins Team passen. Das Gespräch führten Christian Seigerschmidt, Vorstandsvorsitzender des Unternehmer-Clubs pro Troisdorf, und Carsten Seim zur Vorbereitung eines Unternehmer-Frühstücks von pro Troisdorf und der Wirtschaftsförderung TROWISTA am 10. Mai in der Stadthalle Troisdorf.

Warum wurde das Jugendbüro in Troisdorf gegründet?

Seit Mai 1998 gibt es das Jugendbüro in Troisdorf. Die Jugendarbeitslosigkeit war damals hoch. Anliegen war und ist es bis heute, möglichst viele junge Menschen in Ausbildung und Beschäftigung zu bringen. Frau Nagel-Meier und Herr Stedtnitz, die das Büro gründeten, kommen aus der offenen Jugendarbeit. Wir haben dabei die Ziellosigkeit vieler Jugendlicher gespürt und gedacht, dass es ein systematisches Angebot und Hilfestellung für den Übergang in den Beruf geben muss. Auch der Stadtrat war dieser Meinung. Zuständig sind wir für junge Leute zwischen 15 und 27. Bis heute ist es unser Auftrag, diese Zielgruppe salopp ausgedrückt „in Brot und Butter“ zu bringen. Besonders am Anfang stand eine bis heute bestehende Zusammenarbeit mit den Stadtwerken, über deren Kunden wir Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern gewinnen konnten.

Heute ist die Lage eine andere: Unternehmen suchen dringend nach Ausbildungsbewerbern. Wie begegnen Sie dem als Jugendbüro?

Eine wichtige Basis dafür ist unser bis heute bestehendes Lehrstellenforum, dass wir auf der Webseite der Stadt betreiben. Dort finden sich offene Ausbildungsstellen von derzeit 63 Unternehmen. Wir freuen uns, wenn sich weitere Unternehmen am Lehrstellenforum beteiligen. Sie gelangen dorthin über die Domain www.jugendbuero-troisdorf.de. Es gibt auch Unternehmen, die mit uns zusammenarbeiten und einfach nur Arbeitskräfte suchen. Wir kennen viele Unternehmer und empfehlen ihnen im persönlichen Gespräch geeignete Bewerber aus dem Kreis der von uns beratenen jungen Menschen.

Was enthält Ihre Beratung der jungen Leute?

Die Berufsorientierung spielt eine große Rolle. In den Jahrgangsstufen 8 und 9 finden Schülerinnen und Schüler so erste Kontakte zur Arbeitswelt. Sie können hier erstmals in Betriebe hineinschnuppern. Die Wirtschaftsförderung TROWISTA akquiriert hierfür Unternehmen.

Gemeinsam mit Troisdorfer Schulen quer durch die Bildungslandschaft – von der Förderschule bis zum Heinrich-Böll-Gymnasium – veranstalten wir Bewerbungstrainings. Wir informieren Schülerinnen und Schüler darüber, wie man eine erfolgversprechende Bewerbung aufsetzt. Wir bewegen uns hier in der Jahrgangsstufe 9 und haben am HBG beispielsweise mit 110 Schülerinnen und Schülern gearbeitet. In Rollenspielen trainieren wir auch die selbstbewusste Präsentation. Was uns freut: Für 2024 sind wir beim HBG wieder gebucht.

In der Realschule stellen wir beispielsweise die Ausbildungsberufe der Stadt Troisdorf gemeinsam mit der Ausbildungsleitung vor. Wir haben auch Azubis dabei, die dem Zielpublikum über ihre Erfahrungen berichten.

Auch an der Gesamtschule in Sieglar, der Europaschule und der Rupert-Neudeck-Schule sind wir aktiv.

Darüber hinaus kümmern wir uns um Studienabbrecher, die interessante Ausbildungskandidaten für Unternehmen sind.

Was haben Unternehmen vom Service des Jugendbüros?

Wir haben Kontakt zu allen Schultypen und kennen eine Vielzahl potenzieller Ausbildungskandidaten. Da wir auch viele Ausbildungsverantwortliche und viele Unternehmen kennen, wissen wir, wer zu wem passen könnte. Wir kennen auch Soft Skills potenzieller Bewerber und können Hinweise geben, wer in welches Team passen könnte. Wir kennen auch Ausbildungsverantwortliche und deren Bedarfe.

Jüngst kam der Ausbildungsleiter des Metallbau-Unternehmens Vomfell GmbH zu uns ins Rathaus. Der Betrieb sucht dringend Praktikanten und Auszubildende. Auch Verantwortliche der Kuraray Trosifol | Kuraray Europe GmbH wenden sich an uns. Wir können dann bedarfsgerecht mit geeigneten Klienten Bewerbungsunterlagen zusammenstellen. Hier helfen uns auch die Unternehmerfrühstücke von pro Troisdorf und der TROWISTA, denn dadurch haben wir einen genauen Plan, was in Unternehmen gefordert ist. So können wir Mismatch vermeiden.

Wir helfen den Jugendlichen auf speziell eingerichteten Computern bei der Erstellung ihrer Bewerbungsunterlagen und sorgen für deren Vollständigkeit. Fotos sind rechtlich nicht mehr gefordert, aber hilfreich, um Bewerber*innen und Ausbildungspartner zusammenzubringen. Notfalls machen wir auch vor Ort ein Porträtbild vor einer hellen Wand.

Haben Sie eine Bilanz, wie vielen jungen Leuten Sie auf den Weg in Ausbildung und Beruf geholfen haben?

In den 25 Jahren unseres Bestehens haben wird rund 5500 junge Leute erfolgreich auf den Weg gebracht. Aktuell betreuen wir 770 Personen. Darunter sind Klienten, die gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren, weil sie sich zum Beispiel beruflich ausprobieren wollen oder die Zeit bis zum nächsten Ausbildungsbeginn überbrücken. Zum Kundenkreis zählen auch Jugendliche in Praktika oder solche, die aus der Oberstufe ausscheiden, weil sie festgestellt haben, dass ein Abitur doch nichts für sie ist. Zum Klientenkreis zählen auch Personen mit abgeschlossener Ausbildung, die eine Alternative suchen oder junge Leute, die schlicht arbeitssuchend sind. Wir beraten auch junge Menschen, die auf der Schule bleiben wollen, weil sie sich für sich nichts anderes vorstellen können, auf dem Weg in den Beruf. Wir helfen auch bei der Übersicht der vielfältigen Ausbildungsmöglichkeiten: Es gibt mehr als 330 verschiedene interessante Ausbildungsberufe in Deutschland. Sehr gefragt ist in unserer Region der Verfahrensmechaniker Kunststoff-/Kautschuktechnik. Dieser ist aber vielen nicht bekannt!

Ist für die Vermittlung von Ausbildung und Arbeit nicht die Arbeitsagentur zuständig?

Wir vom Jugendbüro arbeiten mit der Agentur für Arbeit zusammen. Aber wir können uns auf der persönlichen Ebene intensiver um junge Menschen kümmern, die vielleicht noch andere Baustellen haben, die durch die Beratung in der Arbeitsagentur nicht abgedeckt werden können. Wir haben den sozialpädagogischen Hintergrund, beziehen erforderlichenfalls die Eltern ein und können weitere Hilfe aus dem Jugendamt anfordern.

Bei uns rufen auch Unternehmen wie Reifenhäuser an. Sie wenden sich bewusst an uns, weil sie eine geeignete Vorauswahl wollen, und nicht hunderte von Bewerbungen. Im vorliegenden Fall haben wir zwei geschickt, und einer der beiden hat das Rennen gemacht. Wir sind hier im Vorteil, weil wir Troisdorf und die handelnden Personen kennen. Auch Meike Rahm hat sich bedankt. Der bei ihr angebotene Ausbildungsberuf des Orthopädieschuhtechnikers ist vielen nicht so präsent, hat aber viele Perspektiven in einem deutschlandweit bedeutenden Sanitätshaus. Umgekehrt sind wir auch den Unternehmen dankbar für ihr Vertrauen.

Vielfach hört man Klagen über mangelnde Aus- und Weiterbildungsvoraussetzungen junger Menschen. Wie hat sich das im vergangenen Vierteljahrhundert Ihres Bestehens entwickelt?

Junge Menschen sind heute nicht selten unselbstständiger als früher. Die Corona-Lockdowns spielen hier eine große Rolle. Mit dem Distanzunterrricht im Lockdown sind viele nicht klargekommen. Das betrifft auch Gymnasiasten, die die Oberstufe verlassen und einen Plan B suchen! Hier ist auch Überzeugungsarbeit bei den Eltern zu leisten, die auf das Abitur pochen. Deshalb haben wir wenigstens bei der Erstberatung die Eltern gerne dabei. Wir haben in der Lockdown-Zeit 548 Einzelberatungen durchgeführt: Masken auf, Fenster auf und einfach weitergemacht! Unterm Strich: Duale Ausbildung ist eine sehr gute Option, die auch in ein Studium münden kann. Das ist bei unserer Beratung eine wichtige Botschaft, die auch Ausbildungsbetriebe begrüßen.

Wir leisten in den Unternehmen Überzeugungsarbeit. Auch Bewerber und Bewerberinnen, deren Schulnotenform eher befriedigend oder nur ausreichend ist, können als Azubis sehr wertvolle Teamplayer werden. Das Sozialverhalten oder auch das handwerkliche Geschick können dafür eine sehr viel entscheidendere Rolle spielen.

Sie vermitteln viele junge Menschen, die im (Aus-)Bildungsprozess nicht dem gängigen Raster von Personalabteilungen entsprechen. Haben Sie Erfahrungs-Feedback von Unternehmen, die Ihre Klienten in Ausbildung übernommen haben?

Ein Beispiel aus unserem Klienten-Kreis ist ein rumänischer Hauptschüler – in Naturwissenschaften und Mathematik stark, er spricht fließend Englisch, aber in Deutsch kommt er nur auf ein „ausreichend“. Er ist eben kein Muttersprachler. Aber er hat aus Interesse – nicht, weil er das in der Schule musste – Franz Kafkas „Der Prozess“ auf russisch gelesen, weil ihm das leichter falle. Wir nennen ihn intern unser „Mastermind“. Doch er kassierte zunächst Absagen wegen seiner „vier“ in Deutsch. Inzwischen haben wir ihn zum Probearbeiten vermittelt.

Eine Troisdorfer Bäckerei suchte Auszubildende für den Verkauf. Wir hatten eine marokkanische Hauptschülerin.

Sie trug Kopftuch. Es hat sich herausgestellt, dass die Kundschaft das akzeptierte. Die junge Frau hat ihre Ausbildung erfolgreich absolviert und selbst ihren Ausbilderschein gemacht. Das war ein Erfolgserlebnis, weil dieses Unternehmen experimentierfreudig war.

Wir begleiten die Ausbildungswege auch bei Unternehmensbesuchen.

Laut Sozialraum-Analyse der Stadt Troisdorf hat jeder zweite junge Mensch in der Stadt Migrationshintergrund. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

Unternehmen, die hier ihren Nachwuchs sichern möchten, werden ihre teilweise überfrachteten Auswahl-Kriterien anpassen müssen. Solche, die es auch dank unserer Vermittlung getan haben, sind damit auch gut gefahren. Ein Beispiel aus dem pragmatisch orientierten Mittelstand ist der Troisdorfer Heizungsbauer Fuchs: Mit Herrn Fuchs habe ich wegen eines Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund telefoniert. Seine erste Frage war: „Was ist das denn für einer?“ Diese Frage habe ich ihm positiv beantwortet: Der Bewerber habe alle notwendigen Vorarbeiten bei uns zuverlässig erledigt. Antwort von Fuchs: „Dann soll er mal vorbeikommen.“ Nach erfolgreichem Praktikum hat dieser junge Mann nun seinen Ausbildungsplatz! Durch solche Erfolge fühlen wir uns in unserer Arbeit bestätigt.

Interview: Christian Seigerschmidt,
Carsten Seim

pro Troisdorf-Fact Sheet:
Jugendbüro für Ausbildung und Beruf der Stadt Troisdorf

Team: 

  • Diplom-Sozialpädagogin Annemarie Nagel-Meier: +49 2241 900-599
  • Diplom-Sozialarbeiterin Heike Brandt: +49 2241 900-544
  • Diplom-Sozialarbeiter Reiner Stedtnitz: +49 2241 900-503

Leistungen:

  • Individuelle Beratung und Begleitung des Berufswahlprozesses.
  • Unterstützung bei Bewerbungen, Einstellungstests sowie Vorbereitung auf Einstellungsgespräche.
  • Online-Lehrstellenforum, auf dem Unternehmen Praktika und Ausbildungsplätze anbieten.
  • Individuelle Vermittlung von Bewerbern im direkten Kontakt mit Unternehmen.

E-Mail: jugendbuero@troisdorf.de

Internet: www.Jugendbuero-troisdorf.de 

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