Interview mit Tilo Stein, Geschäftsführung der HSP Hochspannungsgeräte GmbH

Mittwoch, 28. Februar 2018 Interview mit Tilo Stein, Geschäftsführung der HSP Hochspannungsgeräte GmbH

Interview mit Tilo Stein, Geschäftsführung der HSP Hochspannungsgeräte GmbH

„Bei unseren Premiumprodukten haben wir weltweit nur einen ernstzunehmenden Konkurrenten“

Die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) ist ein Verfahren der elektrischen Energieübertragung mit hoher Gleichspannung. Die HGÜ-Technik dient der Energieübertragung durch Gleichstrom über weite Entfernungen – dies sind Entfernungen von rund 750 km aufwärts –, da die HGÜ ab bestimmten Entfernungen trotz der zusätzlichen Konverterverluste in Summe geringere Übertragungsverluste als die Übertragung mit Dreiphasenwechselstrom aufweist.

Tilo Stein ist Betriebswirt mit juristischer Zusatzqualifikation und seit knapp zweieinhalb Jahren kaufmännischer Geschäftsführer der HSP Hochspannungsgeräte GmbH. Seine Leitungsaufgabe teilt er sich mit dem technischen Geschäftsführer Erdal Eroglu. Das Unternehmen ist eine Siemens-Tochter und produziert sogenannte Durchführungen für Hochspannungsschaltanlagen und Leistungstransformatoren. Das sind Investitionsgüter, die dort eingebaut werden, wo Hochspannungsleitungen isoliert mit Schaltanlagen und Leistungstransformatoren angeschlossen werden. Christian Seigerschmidt, Vorstandsvorsitzender des Unternehmer-Clubs pro Troisdorf, und Carsten Seim sprachen mit Stein über das global orientierte Geschäft des im Camp Spich beheimateten Betriebes, der in Troisdorf rund 340 Mitarbeiter beschäftigt und über die Produktion hinaus auch eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung unterhält. Das Gespräch fand statt im Vorfeld eines Unternehmer-Frühstücks am 28. Februar. Das Unternehmen wurde vor rund 125 Jahren in Köln-Porz gegründet und ist 2007 in das Gewerbegebiet Camp Spich umgezogen.

Herr Stein, können Sie uns kurz erläutern, wie und warum Sie nach Troisdorf gekommen sind?

Stein: Wir sind 2007 nach Troisdorf gekommen, weil wir in Porz keine Expansionsmöglichkeiten mehr hatten. Wir brauchten für zwei chinesische HGÜ-Projekte mehr Fertigungsplatz.

Als global operierendes Unternehmen hätten Sie sich auch anderswo in der Rheinschiene ansiedeln können...

Wir haben Troisdorf in erster Linie den Vorzug gegeben, weil die Firma Pütz in der Lage war, am Standort den benötigten Fertigungsplatz in der von uns geforderten Zeit zu schaffen. Wir sind hier Mieter. 2017 haben wir für einen chinesischen Großauftrag noch eine 40 Meter hohe Halle bauen lassen. Diese geht zudem 15 Meter in die Tiefe. Es handelt sich also um ein sehr massives Werk, das in nur 12 Monaten entstanden ist. Wir unterhalten in Troisdorf über die Fertigung, die Verwaltung und den Vertrieb hinaus eine leistungsstarke Forschungs- und Entwicklungsabteilung, denn wir leben stark von Innovation.

Was ist sonst außer der Verfügbarkeit von Fertigungsfläche noch gut am Standort Troisdorf?

Wir haben hier mit unseren Vorhaben, auch dem jüngsten Hallen-Neubau, sehr schnell proaktive Hilfe vor Ort gefunden – zum Beispiel durch die Wirtschaftsförderung TROWISTA. Der Bürgermeister hat sich ebenfalls persönlich bei uns gemeldet. Wir haben auch gemerkt, dass wir vor Ort sehr gute andere Unternehmen haben, mit denen man sich absprechen kann. Ich war beeindruckt von der Geschwindigkeit, mit der uns Unternehmer-Kollegen und auch die Verwaltung mit Tipps zur Seite gestanden haben. Das habe ich in vergleichbarer Form noch nirgendwo erlebt. 

Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie in welchen Bereichen?

Im Bereich F&E sind es aktuell zehn Spezialisten. Es sind Elektroingenieure, Maschinenbau-Spezialisten und im forschungsnahen Bereich auch Chemiker. Etwa gleich groß ist die Vertriebsabteilung. Sie bedienen unsere Kunden entweder direkt, das Siemens Verbundgeschäft oder auch über Vertriebspartner in den Regionen weltweit. Der überwiegende Teil unserer 340-köpfigen Mannschaft ist im fertigungsnahen Bereichen sowie in der Verwaltung tätig. Wir beschäftigen gut 220 gewerbliche Mitarbeiter und noch einmal knapp 25 Leiharbeitskräfte, um Auftragsschwankungen auszugleichen. Mir ist wichtig zu betonen, dass wir überwiegend mit festen Mitarbeitern operieren.

Sie betonen den Wert der eigenen Mitarbeiter. Setzt die Produktion der Bauteile in Ihrem Unternehmen eine sehr große Kompetenz und Erfahrung voraus?

Generell ist das so, weil wir sehr viele kundenindividuelle Spezialprodukte herstellen. In der Dreherei beschäftigen wir erfahrene Zerspanungstechniker. In Deutschland zählt das zu den Mangelberufen. Auch beispielsweise in den Bereichen Prüffeld, Gießharz und Montage haben wir hoch spezialisierte Facharbeiter. Unsere Produkte sind – wie bereits gesagt – sehr spezifisch. Im näheren Umfeld wird man kein Unternehmen finden, das ähnliche Produkte herstellt.

Sie haben eben von chinesischen Auftraggebern gesprochen. Wie hoch liegt Ihre Exportquote?

Indirekt bei deutlich über 80 Prozent. Unsere direkte Exportquote bewegt sich im Bereich knapp über 50 Prozent. Diese Unterscheidung mache ich, weil viele unserer Produkte in Deutschland in Transformatoren und Schaltanlagen eingebaut werden, die dann exportiert werden. Sie gehen dann an die entsprechenden Großgerätehersteller in Deutschland und werden mit dem Komplettprodukt ausgeführt. „Made in Germany“ gilt gerade in China als Qualitätssiegel.

Haben Sie Konkurrenten auf dem Markt?

In unserem Produktsegment gibt es vielleicht fünf oder sechs ernsthafte Anbieter weltweit. Im Toplevel-Segment gibt es die HSP und einen anderen europäischen Hersteller. Das war´s.

Warum gibt es hier nur so wenige Anbieter?

Zum einen setzt das, was wir tun, sehr großes Know-how voraus. So spielen beispielsweise in der Produktion auch chemische und thermische Prozesse eine große Rolle. Das Handling solcher Prozesse setzt große Erfahrung und Expertise voraus. Zum anderen ist es die sehr hohe Qualitätsanforderung. Eine Durchführung kostet nur einen Bruchteil eines Transformators. Wenn sie aber defekt ist, steht die gesamte Anlage – und damit Millionenwerte – auf dem Spiel. Transformatoren sind mit Papierwerkstoffen und Mineralöl, also leicht brennbaren Materialien, isoliert. Ein Überschlag durch eine defekte Durchführung hätte katastrophale Folgen. Kleinstanbieter können die geforderte Qualität nicht anbieten. Natürlich wächst auch in unserem Segment der Wettbewerb. Allerdings ist die Energiebranche eher konservativ und bleibt tendenziell bei bewährten Lieferanten wie wir es sind. Zudem gibt es bestimmte sehr spezifische Fertigungsmaschinen und Produkte nur bei uns. Wir halten auf diese Eigenentwicklungen auch Patente. Im Premium-Segment gibt es deshalb auf dem Weltmarkt wenig Wettbewerber. Sie brauchen ein Mindestmaß an Konkurrenz. Das ist auch wichtig, weil öffentliche Auftraggeber sonst teilweise gar nicht ausschreiben könnten.

Den Chinesen eilt der Ruf voraus, dass sie Hochtechnologie aus Europa und USA gern kopieren. Wie gehen Sie damit um?

Wir sind da in einer ganz guten Lage, weil unser Niveau und unser Know-how im Premium-Segment von niemandem leicht erreicht werden kann. Aber natürlich sind Chinesen als Wettbewerber nicht ungefährlich. Unsere Kunden beispielsweise erhalten in China nur Aufträge, wenn sie mit einem lokalen Unternehmen vor Ort kooperieren und so natürlich zwangsläufig auch ein wenig Know-how-Transfer sicherstellen. Anderseits sind Kooperationen mit dortigen Unternehmen auch wichtige Vertriebswege in den chinesischen Markt hinein. Ein wichtiges Asset dabei ist „Made in Germany“. Wir haben ein chinesisches Schwesterwerk mit dem gemeinsam wir sehr erfolgreich sind, auch weil bekannt ist, dass wir beide viele europäische Komponenten verwenden und entsprechendes Know-how besitzen. Wir profitieren davon sehr stark. Der Arbeitsplatzaufbau von 40 Stellen im vergangenen Jahr kommt im Wesentlichen durch Geschäft aus China. Das ist unser Absatzmarkt Nummer 1. Zudem: Von Troisdorf aus lässt sich dieser Markt kaum gänzlich erschließen. Was man auch nicht vergessen darf: Chinesische Endkunden sind jedenfalls für uns Innovationstreiber. So gab es hier eine Idee für ein neuartiges Stromübertragungskonzept, das wir im chinesischen Auftrag entwickelt haben. Zuvor hatte das kein Europäer und auch kein Amerikaner auf dem Schirm. Insofern ist beim Umgang mit China einerseits eine gewisse Vorsicht, andererseits auch ein optimistischer Blick auf die Chancen geboten. Zudem: Unser Spezialgebiet, die HGÜ-Übertragung, lohnt sich gerade bei langen Distanzen, wie wir sie in China haben. 2000 bis 3000 Kilometer Übertragung ohne Abzweigung, das gibt es in Deutschland nicht, aber eben in China.

Von welchen Spannungen reden wir eigentlich bei Ihnen?

In unserem Prüffeld für die Durchführungen gehen wir mit Spannungen bis zu 2200 Kilovolt um. Es geht kein Produkt ohne umfassenden Prüfzyklus bei uns aus dem Werk. Wir prüfen nach internationalen Normen – das heißt: Immer oberhalb der angegebenen Betriebspegel. Höchste Qualitätsanforderungen stellen sich für uns auch deshalb, weil unsere Produkte 50 bis 60 Jahre wartungsfrei laufen müssen.

Bekommen Sie denn genug Strom für diese energieintensiven Prozesse?

Ja. Allerdings gelangen wir hier in Troisdorf an Grenzen. Eine weitere Expansion würde den Bau eines neuen Umspannwerks erfordern, denn wir sind hier in diesem Gewerbegebiet an elektrische Kapazitätsgrenzen gestoßen. Bei unseren chemischen Prozessen können wir auch Gas als Energiequelle einsetzen. Das ist etwas teurer, würde uns aber ein Stück weit unabhängiger vom Stromnetz machen.

Thema „Regenerative Energie“: Vom Norden Deutschlands soll Windstrom in den industrialisierten Süden und Südwesten gehen. Sehen Sie die geplanten deutschen „Stromautobahnen“ als Chance für HSP?

Das würde unser Lieferspektrum betreffen. Wenn man jedoch die Dimensionen sieht, die wir nach China, Indien oder Brasilien liefern, so rangieren die entsprechenden Spannungen für uns nicht am oberen Ende unseres Produktportfolios. Es ist gleichwohl technisch sehr anspruchsvoll. Aber es wird bis dahin noch etwas Zeit ins Land gehen. Denn die Genehmigungsverfahren für diese deutschen Projekte laufen gerade.

Wo sehen Sie denn weitere Chancen in China?

In den Städten wächst die Unzufriedenheit mit der Luftverschmutzung. Wir sehen Chancen für neue HGÜ-Übertragungen, weil damit die Energieerzeugung und auch Emissionen aus den chinesischen Städten herausgeholt werden kann.

Wenn Sie an die nächsten zehn bis 20 Jahre denken, wo sehen Sie Markt- und Expansionschancen? Ist die Digitalisierung ein Thema für Sie?

Digitalisierung kann für uns in der Fertigungsprozessüberwachung eine größere Rolle spielen. Wir haben hier viele Chancen in der Qualitätsüberwachung unserer Produkte. Vernetzung kann uns auch in der Fernwartung beim Kunden helfen.

Eine weitere unternehmensstrategische Zukunftsbaustelle ergibt sich daraus, dass das HGÜ-Geschäft immer zyklisch verläuft. Wenn sie einen Großauftrag abgearbeitet haben, beginnt wieder eine Planungsphase – und so weiter. Unser Ziel ist es, unser Basisgeschäft zum Beispiel in Amerika weiter auszubauen, damit sich die Schwankungen im Highend-Bereich nicht so stark auswirken und wir Beschäftigung kontinuierlich und wirtschaftlich aufrechterhalten können. Ich habe lieber feste Kräfte als Leiharbeiter. Doch die brauchen wir derzeit, damit wir bei Schwankungen in der Fertigung flexibel reagieren können.

Und das Produktportfolio?

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir im oberen Spektrum unserer Produktpalette immer noch anspruchsvoller und kundenspezifischer werden. Und im Basisgeschäft müssen wir noch stärker modularisieren und standardisieren. Eine weitergehende Automatisierung in der Fertigung wird in den kommenden Jahren wohl eher keine große Rolle bei uns spielen.

Mit welchem Arbeitszeitsystem arbeiten Sie?

Wir arbeiten Dreischicht an sechs Tagen pro Woche. Wir haben an unserem Standort eine extrem gute Kooperation zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Beide Seiten wissen, was gebraucht wird. Das funktioniert nur in einem guten, offenen Dialog zwischen den Betriebsparteien. Mitarbeiter müssen sich bei uns wohlfühlen. Gemeinsam arbeiten wir daran, Arbeitsunfälle zu vermeiden. Als Geschäftsführung zeigen wir uns bei privaten Problemen von Mitarbeitern flexibel. Auch außerhalb der Regel stellen wir in Abstimmung mit den betrieblichen Belangen Mitarbeiter frei, wenn diese beispielsweise einen Trauerfall in der Familie haben. Das ist für uns auch ein wichtiges Element der Employer-Brand.

Was ist für Ihre Mitarbeiter wichtig?

Meiner Meinung nach Zeitflexibilität. Wenn es bei uns pressiert, arbeiten viele auch gern flexibel, weil sie wissen, dass auch wir als Geschäftsführung uns entgegenkommend zeigen, wenn Mitarbeiter einmal etwas mehr Zeit für die Familie brauchen. Wir lassen, wo es geht, in einem überschaubaren Rahmen auch Heimarbeit zu. In der Fertigung ist das natürlich nur begrenzt möglich. In Abstimmung mit ihren Führungskräften können Mitarbeiter bis zu 20 Prozent zuhause arbeiten, so eine Betriebsvereinbarung bei uns. Wir haben Gleitzeit und die Möglichkeiten, Urlaub in einem bestimmten Rahmen ins Folgejahr zu übernehmen. Allerdings sind zwei Drittel unserer Mitarbeiter Gewerbliche. Hier sind die Möglichkeiten zu zeitlicher und räumlicher Flexibilität begrenzter.

Können Sie uns auch etwas zur Mitarbeiter-Fluktuation sagen?

Diese ist generell sehr niedrig. Sie liegt im langjährigen Vergleich um 1 Prozent. Wir haben viele Mitarbeiter, die seit 25 Jahren im Unternehmen sind. Wir haben eine hohe durchschnittliche Verweildauer.

Wie binden Sie Ihre Kunden?

Durch höchste Qualität und sofortige Bedienung von Kundenanliegen. Wenn ein Kunde in China ein wichtiges Anliegen hat, denken wir nicht lange über die Kosten für einen Direktflug nach, sondern setzen umgehend unsere besten Mitarbeiter ins Flugzeug. Dafür stehen Service-Spezialisten rund um die Woche zur Verfügung. Wir haben ein fünfköpfiges Serviceteam, das international im Einsatz ist. Der Standort Troisdorf ist infrastrukturell hervorragend vernetzt. Von hier aus ist man schnell in alle Himmelsrichtungen unterwegs. Unser Credo: Wenn ein Kunde ein Problem hat, will er sich ideal betreut fühlen.

Interview: Christian Seigerschmidt, Carsten Seim

Fact Sheet HSP Hochspannungsgeräte GmbH

  • Geschäftsführung: Erdal Eroglu (Technischer Geschäftsführer)
  • Tilo Stein (Kaufmännischer Geschäftsführer)
  • Mitarbeiter: rund 340
  • Seit 2007 in Troisdorf

Unternehmensgeschichte:

  • 1893: Gründung der Meirowsky & Co. in Porz, Köln
  • 1906: Produktion von harzlaminierten Papierisolierungen (Hartpapier)
  • 1913: Start der Produktion von Kondensatordurchführungen (harzlaminiertes Papier)
  • 1920: Übernahme durch Felten & Guilleaume (F&G)
  • 1950: Start der Produktion von Durchführungen mit ölimprägniertem Papier (OIP)
  • 1960: Produktion von Durchführungen mit harzimprägniertem Papier (RIP)
  • 1989: Ausgliederung des F&G-Geschäftsgebietes Hochspannungsgeräte in die neu gegründete HSP Hochspannungsgeräte Porz GmbH
  • 2005: Entwicklung und Produktion von 1000 kV AC & 800 kV DC Durchführungen
  • 2007: Umzug nach Troisdorf an den neuen Standort mit einem UHV AC & DC Prüffeld; Umfirmierung in HSP Hochspannungsgeräte GmbH
  • 2012: Entwicklung und Produktion von 1200 kV AC (RIP) & 1100 kV DC Durchführungen (RIP)
  • 2013: Entwicklung und Produktion von 800 kV DC 4800A (Heatpipe RIP)
  • 2014: Beginn der Durchführungsfertigung aus harzimprägniertem Kunststoffvlies (RIS)
  • 2017: Entwicklung und Produktion von 1200 kV HGÜ RIP Transformatordurchführung für Projekt Changji-Guquan, China

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